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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ihren Zellen auf und nieder, und in ihrem Schatten können sich alle jene versammeln, welche ihren inneren Zusammenhang mit der Nation verloren haben, weil sie ihre Zugehörigkeit zum Stamm nicht pflegten und nun nur verwehte Blätter längst entlaubter Bäume sind, Völkerhumus, in welchem das Gedächtnis so manches edlen Geistes und so mancher schönen Tat den Erstickungstod gefunden hat. Eines solchen Todes haben wir Chinesen das Andenken derer, von denen wir stammen und deren geistige Hinterlassenschaft wir zu pflegen und zu wahren haben, nicht sterben lassen. Wir sind uns des Zusammenhanges mit ihnen bewußt; wir gedenken ihrer; wir feiern ihre Erinnerungstage, und wenn dies von dem gewöhnlichen Mann, der für geistige Opfer und Liebesgaben kein Verständnis hat, in mehr materieller Weise geschieht, als es eigentlich im Sinne dieser Ehrung der Vorfahren liegt, so wird doch nur jemand, dem es an Einsicht fehlt, behaupten können, daß es sich um eine abergläubische Verirrung oder gar um eine Abgötterei handele, durch welche unsere Intelligenz sich bis auf unter Null herabgesunken zeige. Sie sind eine Dame, Miß Waller, und halten das Andenken Ihrer Mutter heilig; ich bin ein Mann und sage, wir bleiben dem Gedächtnis unserer Väter treu. Ist das nicht ganz dasselbe? Wollten Sie mich verurteilen, so müßte ich auch Ihnen unrecht geben, und ich denke doch, daß weder Sie noch ich eine Ursache haben, uns in dieser Weise weh zu tun!“
    Er hielt ihr seine Hand hin, und sie legte, froh über diese Vertraulichkeit errötend, die ihrige hinein. Ich muß gestehen, daß der Chinese mich, sozusagen, gefangengenommen hatte. Nicht nur alles, was er tat und was er sagte, sondern auch wie er es tat und wie er es sagte, war so aristokratisch, so vornehm, ohne jedoch gekünstelt oder überhaupt gemacht zu sein. Er hatte jene seltene Art zu sprechen, welche bei dem Zuhörer die Überzeugung erweckt, daß es gar nicht anders und besser gesagt werden kann, als es gesagt worden ist. Ich stand nicht an, ihn für einen Mann zu halten, welcher imstande war, das, was er beabsichtigte, mit kühlster Überlegung zu berechnen, und doch hatte er auch einen so warmen, so aufrichtigen Herzenston, daß mir es gar nicht als schwer erschien, ihm Liebe und Vertrauen zu schenken. Er war Kristall. Ich finde kein Wort, den Eindruck, den er auf mich machte, deutlicher zu bezeichnen. Und was für Kenntnisse mußte dieser Mann besitzen! Wenn ich jemals einen Menschen getroffen hatte, welcher genau wußte, was er wollte, und auch das Zeug dazu hatte, es zu wollen, so war es dieser Chinese hier, der sich so einfach Fu nennen ließ!
    Als er der Dame seine Hand gereicht hatte, erhob er sich, um den Speisesaal zu verlassen. Sein Sohn folgte dem Beispiel des Vaters, der Miß seine Rechte hinzustrecken.
    „Ich danke Ihnen auch“, sagte er. „Halten Sie uns nicht für gelber und für sonderbarer, als wir wirklich sind!“
    Vor ihrem Vater verbeugten sie sich nur; dann gingen sie fort. Er sah ihnen nach, bis sie verschwanden; dann meinte er, mit der Hand über das Tischtuch streichend:
    „Weg! Aufgeblasenheit und Mangel an Einsicht! So, genauso sind die Völker kurz vor ihrem Untergang! Wie soll man solche Leute fassen? Wenn der Heide behauptet, ein Christ zu sein, ist jedem Versuch, ihn zu bekehren, die Kraft genommen!“
    „Ich fürchte, Vater, daß Fu nicht der einzige Chinese sein wird, von dem du diesen Einwand hörst“, bemerkte die Tochter.
    „Pshaw! Laß uns nur erst in China sein! Ich werde von Tempel zu Tempel ziehen und meine Stimme erschallen lassen, daß die Götzen, die rings an den Wänden stehen, zittern! Du weißt ja, daß mir die Macht des Wortes gegeben ist, welches Felsen zerschmettert! Man wirft uns Amerikanern in neuerer Zeit den Cäsarismus vor. Nun wohl, wir bekennen uns zu ihm. Und wie auf äußerem Gebiet, so wollen wir auch auf dem Gebiet des Glaubens Herrscher sein! Schau in die Weltgeschichte der neuen Zeit! Überall, wo eine Eroberung gemacht worden ist, sind ihr die Boten des Christentums vorangegangen. Wir sind die kühnen Pioniere der geistlichen und infolgedessen auch der weltlichen Macht. Die Diplomatie der Vereinigten Staaten richtet schon seit einiger Zeit ihren Blick über den Stillen Ozean. Wir haben uns auf Inseln festgesetzt; es gilt nun auch in China besser Position zu nehmen, als es bisher geschehen ist. Ich werde an dieser Aufgabe arbeiten und glaube, nicht der unrichtige Mann dazu zu sein!“
    „Aber,

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