31 - Und Friede auf Erden
treiben lassen, wie es anderen beliebt, sondern muß den Mut besitzen, sich auf die Kommandobrücke zu stellen und laut und furchtlos zu bestimmen, wohin die Fahrt zu gehen hat.
Das Lob, welches Raffley seiner Jacht erteilt hatte, bewährte sich: Sie lag selbst bei bewegter See auf glatter, sicherer Linie, und die Maschine arbeitete so leise, daß man die Erschütterung nur dann bemerkte, wenn man mit besonderer Absicht auf sie achtete. Dem Kranken bekam die Fahrt sehr gut. Er aß und trank mit Appetit und lag die meiste Zeit in ruhigem Schlaf, ruhig freilich nur in Beziehung auf den Körper, nicht aber auch auf die Psyche, die Seele. Diese befand sich, wenn er wachte, in unausgesetzter Tätigkeit und schien auch während des Schlafes ohne Unterbrechung beschäftigt zu sein. Man sah das an dem sich sehr oft verändernden Ausdruck seines Gesichtes und an gewissen Körper- oder Gliederbewegungen, welche keine unwillkürlichen waren. Er öffnete die Augen, ohne einen bestimmten Gegenstand anzusehen, und schloß sie wieder, indem er froh lächelte, als ob ihm etwas Freundliches erschienen sei. Er bewegte die Lippen; man sah, daß er etwas sagte; aber es war kein Laut zu hören. Oder er sprach viertelstundenlang leise vor sich hin und sah während der Pausen ganz so aus, als ob ihm Antwort werde. Aber so laut und vernehmlich wie in Kota Radscha hatte er hier auf dem Schiff noch nicht im Schlaf gesprochen. Als ich Tsi hierüber fragte, antwortete er:
„Beruhigen Sie sich! Es kommt ganz gewiß die Zeit, in welcher er wieder laut sprechen wird, so laut, wie wir nur wünschen können. Sie sehen mich fragend an, weil ich diese Worte in eigentümlicher Weise betone. Betrachten Sie die Heilung, welche ich hier beabsichtige, doch einmal als ein vorbildliches Experiment! Waller glaubte, Christ zu sein, und zwar ein so vortrefflicher, daß er sich berufen fühlte, in alle Welt zu gehen, um Heiden zu bekehren. Er war es aber nicht! Sein Christentum war ein selbstkonstruiertes und bestand nur aus dieser leeren, öden Konstruktion, welcher Christi Geist und Christi Liebe fehlte. Er wurde nicht gesandt, sondern sendete sich selbst. Der Glaubensneid machte ihm den Missionserfolg zum Gegenstand der Konkurrenz, denn er wettete. Er fragte nicht, ob er willkommen sei; er drängte sich den ‚armen Heiden‘ auf, schon in meinem Vater und auch mir. Als seine erste Pflicht im fremden Land galt ihm die Vernichtung alles dort religiös Bestehenden, und für die erste Pflicht der Andersgläubigen dort hielt er die jeder Pietät hohnsprechende Entehrung alles dessen, was ihnen seit Jahrtausenden lieb, teuer und heilig gewesen ist. Solcher Forderungen aber kann nur der stellen, dem selbst nichts heilig ist, denn sonst müßte er wissen, daß sie unmöglich erfüllt werden können. Sie sind nichts anderes als der Ausfluß eines Wahns, der, wie bei ihm, von den Voreltern großgezogen worden ist, also einer Krankheit, die ihre Opfer nicht in dem Kranken selbst, sondern außerhalb desselben sucht. Dieses Leiden erreichte den höchsten Grad bei ihm, als er Undank und Zerstörung für empfangene Liebe galt. Die Gastfreundschaft ist, solange die Erde steht, selbst dem wildesten unzivilisiertesten Heiden heilig gewesen; sie hat alles, selbst das Leben aufzuopfern. Versündigungen gegen sie werden mit dem Tod bestraft und sind selbst von der Geschichte bis auf den heutigen Tag gebrandmarkt worden. Ich brauche also nicht besonders auszuführen, wie Waller gegen die Malaien gehandelt hat. Oder könnte es Ihnen vielleicht beikommen, sein Verhalten zu beschönigen?“
„Vielleicht anderen, aber nicht mir“, antwortete ich. „Davon sind Sie doch wohl überzeugt!“
„So bedenken Sie, daß dies die Monographie nur dieses einen Christen ist? Verstehen Sie, was ich damit sagen will? Oder ist es notwendig, Ihnen an der Hand jedes einzelnen dieser meiner Sätze die gleichen Sünden der Gesamtheit, welcher er angehört, vor die Augen zu halten? Wünschen Sie vielleicht, besonders aufgezählt zu haben, wo, wann und wie oft diese Gesamtheit die Pflichten der Gastfreundschaft in ganz derselben Weise mit Füßen getreten hat und noch heut mit Füßen tritt?“
Er sah mich an, als ob er eine Antwort erwarte; da ich aber schwieg, so fuhr er fort:
„Die Katastrophe ist für ihn gekommen. Sie wird auch für andere nicht ausbleiben, für hier oder dort mehr oder weniger verderblich, je nachdem die Machtfrage sich gestaltet. Ob man den Tempel eines kleinen,
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