31 - Und Friede auf Erden
geboten, sobald die Liebe versagt. Zeigt sich ein Taucher seiner Rüstung nicht wert, bringt er Schwämme oder Tang anstatt der Perlen, so wird sie ihm genommen und einem Würdigeren gegeben. Bringt dieser zwar Perlen, aber mit Schmutz und Algen vermischt, so hat ein noch Besserer anzutreten. Und so kommt es, daß es wohl keine einzige Rüstung gibt, von der man sagen könnte, daß sie stets nur im Dienst eines und desselben Tauchers gestanden habe. Es kommt sogar sehr häufig vor, daß ein höherer Taucher sich die Rüstung eines niederen leiht, um ihn zu unterrichten, auf welche Weise er bessere Erfolge erzielen und dadurch zu ihm emporsteigen könne. – – – Haben Sie dieses Bild verstanden, Mylord?“
„Hm!“ brummte der Governor. „Die Insel ist natürlich die Erde; die Meeresflut ist das Leben; die Rüstungen sind die beseelten Menschenkörper, und die Taucher sind die unsichtbaren, geheimnisvollen Intelligenzen, welche wir als ‚Geister‘ bezeichnen. Ich habe jetzt keine Zeit, denn ich bin nicht allein; aber ich werde mir diese Insel ‚Ti‘ merken und über sie nachdenken.“
„Tun Sie das! Aber denken Sie ja nicht so tief nach, daß Ihnen dabei die Sinne vergehen. Sie haben nämlich nebenbei auch aufzupassen! Merken Sie zum Beispiel auf, wenn Sie im Traveler-Klub mit guten, lustigen Freunden Billard spielen; merken Sie auf, wenn Sie am Sarg eines geliebten Verwandten stehen; merken Sie auf, wenn Sie sich auf der Fuchsjagd befinden; merken Sie auf, wenn Sie mit Ihrem Bankier Ihr letztes Jahreseinkommen berechnen, und merken Sie auf, wenn Ihr Freund, der Heidenpriester, seine Hand auf das Haupt Miß Marys legt, um sie zu segnen! Und dann sagen Sie mir, ob – – –“
„Ja, ja“, unterbrach ihn der Governor; „in jedem dieser Fälle bin ich natürlich ganz, ganz anders gestimmt!“
„Gestimmt! Allerdings ein leider sehr gebräuchliches, aber außerordentlich falsches Bild! Übrigens sprach ich von Taucherrüstungen, nicht aber von Klavieren. Aber ich will auf diesen Ihren Vergleich eingehen. Ihr Körper sei also das Klavier; die Nerven seien die Saiten, und vom Gehirn aus werde es gespielt. Ich brachte Ihnen fünf verschiedene Fälle, in denen Sie sich beobachten sollen, und Sie geben zu, daß Sie jedesmal anders klingen. Sie erklären das damit, daß Sie anders gestimmt worden seien. Mein Freund, welches Klavier würde es wohl aushalten, täglich zehn- bis zwanzigmal umgestimmt zu werden? Und Sie sind jetzt wohl sechzig Jahre alt. Das ergibt, daß Ihr Klavier in dieser Zeit wohl eine halbe Million mal umgestimmt worden ist. Welcher Körper, welche Nerven, welches Gehirn würde das wohl aushalten! Der totalste Irr- oder gar Blödsinn müßte die baldige Folge sein!“
„Richtig! Ganz verteufelt richtig!“ rief da der Uncle aus.
„Aber das ist noch das wenigste dabei!“ fuhr Tsi fort. „An die Hauptsache haben Sie gar nicht gedacht. Nämlich wer ist denn eigentlich das geradezu diabolisch gequälte, arme Wesen, welches dazu verdammt worden ist, die unzähligen Nerven Ihres Körpers in jedem Jahr weit über siebentausendmal umzustimmen? Sind Sie das etwa selbst?“
„Ich danke! Fällt mir gar nicht ein!“
„Also nicht Sie selbst? Demnach ein Wesen außerhalb Ihrer eigenen Potenz! Merken Sie, wohin Sie kommen? Es gibt ein außerhalb Ihrer Persönlichkeit stehendes Wesen, welches volle sechzig Jahre lang mit Ihnen herumgelaufen ist, um an jedem Augenblick bereit zu sein, alle Ihre unzähligen Nerven in Zeit von einer Sekunde herüber- oder hinüber-, hinauf- oder herabzustimmen! Mylord, verlangen Sie von Gott nicht, so wahnsinnig zu handeln, wie Ihre bisherige Psychologie ihm zugemutet hat! Sie befinden sich nämlich nicht allein auf der Erde. Es gibt außer Ihnen noch fünfzehnhundert Millionen andere Menschen, denen der Schöpfer auch fünfzehnhundert Millionen Klavierstimmer zur immerwährenden Verfügung zu stellen hätte! Und damit wären immer erst nur Ihre sogenannten ‚Stimmungen‘ erklärt, nicht aber auch die eigentlichen Gefühle, die Gedanken, die Worte und die Taten! Bitte, sehen Sie doch ein, was Sie, der winzige Wurm im unendlichen All, von dem Herrgott alles verlangen!“
„Das ist freilich horrible, horrible!“ gestand der Governor ein.
„Und nun noch eins: Wenn Sie umgestimmt worden sind, wer setzt sich dann hin, um zu spielen?“
„Ich nicht, denn ich bin ja das Klavier!“
„Nun, aber wer? Es muß doch ein Spieler da sein, für den Sie
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