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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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habe.“
    Er wurde für einstweilen entlassen, mit der Bedeutung, daß er sich als unseren speziellen Gast zu betrachten habe und daß ebenso auch alle andern Unterpriester des Ho-Schang geladen seien, an unserm Mahl, welches vorbereitet werde, teilzunehmen.
    Wir hatten von da aus, wo wir uns befanden, eine prächtige Aussicht über den großen, freien Platz und alle die vielen Menschen, die sich auf ihm bewegten. Eine Beschreibung des uns gebotenen Anblicks wäre wohl im höchsten Grade interessant, würde aber über den Rahmen einer altruistischen Studie, die sich mit Höherem zu beschäftigen hat, hinausgehen. Die vorhin von Fu erwähnte Tribüne stand in Hörweite von uns. Wir konnten also während der Rede des Ho-Schang Zuhörer sein, ohne das Lokal, in dem wir uns befanden, verlassen zu müssen.
    Nach einiger Zeit war weithin schallende Musik zu hören. Man unterschied die Töne der Glöckchen, der Gongs, der Zimblen, des Yünlo, Hautung, Lapa, der Paisiao, Titsu, Sona, Kuantsu, der Tschin und Si, der Pipa, Sansien und Yütschien, der Paipan, des Scheng, des Tamburin und anderer Instrumente. Das klang scharf durch die ganze Stadt und sagte uns, daß der Ho-Schang mit seinen Scharen komme. Voran kamen, wie wir später bemerkten, die verführten Leute der Fan-Fan, die angewiesen wurden, sich rund um die Tribüne aufzustellen, und hinter ihnen die geistlichen Untertanen des Priesters. Es waren ihrer so viele, daß der Platz nicht ausreichte; sie füllten außer ihn auch noch die Mündungen der anliegenden Gassen. Während sie sich verteilten, dauerte die Musik fort; dann aber hörte sie auf, und es trat eine Ruhe, eine Stille ein, die in einer europäischen Stadt bei einer solchen Menschenmenge ganz unmöglich gewesen wäre.
    Der Ho-Schang saß in einer Sänfte, die in das Haus herein und bis an die Treppe getragen wurde. Da stieg er aus. Wir empfingen ihn an der obersten Stufe und führten ihn in den Saal. Das geschah natürlich ganz in der umständlichen, außerordentlich höflichen Art der Chinesen. Als er aber Platz genommen hatte, unterbrach er ganz unerwartet dieses Zeremoniell durch die Bitte, mit uns in kurzer europäischer Weise verkehren zu dürfen. Das sei weniger anstrengend und führe schneller zum Ziel. Ein sehr vernünftiger Herr!
    Auch er war hoch betagt, von ehrwürdigstem Aussehen, doch außerordentlich einfach, anspruchslos. Kein einziges Abzeichen deutete auf seinen Rang; ja, er war sogar noch bescheidener gekleidet als seine Unterpriester, die jetzt noch nicht mit heraufgekommen waren. Sie standen unten an der Tribüne, jeder mit einem Mu-Yü, das ist ‚hölzerner Fisch‘, in der Hand. Dieser hohle, hölzerne Fisch ist ein Musikinstrument und wird fast nur von den Geistlichen gebraucht, für ihre besonderen Zwecke. Warum die ‚Fische‘ jetzt da unten an der Tribüne in Bereitschaft gehalten wurden, das sollten wir baldigst erfahren.
    Nämlich, eben als wir hier oben bei uns die Formalitäten beendet hatten und nun auf das Hauptthema der Unterhaltung eingehen wollten, ertönte drunten oder draußen auf dem Platz eine sehr laute, weithin schallende Männerstimme. Aber schon nach den ersten Sätzen gaben die Unterpriester mit ihren Mu-Yüs das Zeichen, und sofort ließ sich eine solche Menge von Sonas und Kuantsus hören, daß ich entsetzt von meinem Stuhl aufsprang und nach dem Fenster eilen wollte. Die beiden genannten Instrumente haben nämlich so fürchterlich quiekende und für einen Europäer geradezu entsetzliche Töne, daß es förmlich schmerzt, sie hören zu müssen. Der Ho-Schang veranlaßte mich aber durch eine beruhigende Handbewegung, mich wieder niederzusetzen, und sagte, indem ein schalkhaftes Lächeln um seine Lippen spielte:
    „Das geschieht auf meinen Befehl. Dilke beabsichtigt, heut alle Menschen hier zu Christen zu machen. Er will mehrere große Reden halten, bis die Bewohner von Shen-Fu so für ihn begeistert sind, daß sie ihre Heidentempel ganz von selbst verbrennen und zerstören! Als ich die Tribüne sah, ahnte ich, daß er sie schleunigst benutzen werde. Nun wird er so lange, bis er aufhört, von dem Lärm der scharfen Instrumente unterbrochen. Man könnte ihn auf andere Weise viel schneller, ja sofort zum Schweigen bringen, aber wer sich so große Mühe gibt, lächerlich zu erscheinen, dem soll man es gestatten und ihn ja nicht ernsthaft nehmen! Horcht; er beginnt von neuem!“
    Ja, so war es: Sobald die kleinen, schrillen, spitztönigen Instrumente schwiegen,

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