31 - Und Friede auf Erden
seine Weise. Dann pflegte er später nach einer Gelegenheit zu suchen, das Resultat seines Nachdenkens anzubringen.
Als ich in meine Wohnung getreten war, hörte ich allerdings sofort, daß jemand über mir wohnte. Man ging mit starken, ungenierten Schritten hin und her; Tisch und Stühle wurden gerückt; es fiel etwas Schweres mit lautem Krach um. Ich sah Kellner an meiner offenen Tür vorübereilen, welche mit Küchengeschirr an der nach oben führenden Treppe verschwanden. Die beiden neu angekommenen Engländer schienen speisen zu wollen. Sie traten jetzt, um der Bedienung Raum zu geben, auf den freien Vorraum heraus, und ich konnte hören, was sie sprachen. Sie sahen den Sejjid stehen.
„Ein prächtiger Kerl dort!“ sagte der eine. „Schaut, Sir, was für ein Körperbau und was für charakteristische Züge! Kein Bildhauer könnte sich ein besseres Modell wünschen. Jedenfalls ein Mohammedaner vom Himalaja!“
„No!“ erklang die Antwort des andern sehr kurz und sehr bestimmt.
„Nicht? Ich glaube doch, Indien und seine Bevölkerung zu kennen! Nur in den Bergen können solche Prachtgestalten wachsen.“
„No!“
Bei diesem zweiten ‚No‘ wurde ich aufmerksam. Der Klang dieses so unendlich bestimmt ausgesprochenen Wortes hatte etwas Bekanntes für mich.
„Nur immer Widerspruch!“ tadelte der erste Sprecher. „Woher soll der Mann sonst sein?“
„Aus Ägypten!“
„Kennt Ihr ihn etwa, Sir?“
„No. Habe ihn noch nie gesehen.“
„So habt Ihr unrecht! Was hätte ein ägyptischer Fellache hier in der Malakkastraße zu tun?“
„Wollen wir wetten?“
„Wieviel?“
„Fünf Pfund, zehn Pfund, hundert Pfund! Mir ganz gleich!“
Jetzt, da gewettet wurde, war ich meiner Sache sicher. Ja, dieser Engländer, der so kurz und so bestimmt sprach und dem hundert Pfund ebenso gleichgültig wie fünf Pfund waren, wenn er nur wetten konnte, dieser Mann hatte nicht nur fünf- und nicht nur zehn- und nicht nur hundertmal mit mir wetten wollen, mich aber nie zu einem Einsatz gebracht. Er war nicht nur ein Bekannter, sondern sogar ein lieber Freund von mir! Auch die Stimme seines Gefährten mußte ich schon irgendwann und irgendwo gehört haben.
„Lassen wir es bei fünf Pfund“, meinte der letztere. „Ich weiß, daß ich gewinnen werde, und muß also bescheiden sein.“
„Setzen!“ wurde er aufgefordert.
Das war so hochinteressant, daß ich weiter vortrat, um mir kein Wort entgehen zu lassen. Ich hörte Goldstücke klingen; dann wurde Omar von oben herab in arabischer Sprache angerufen:
„Chod minni ia Ibn 'arab! Schu beledak – höre, Araber, wo bist du her?“
Omar sah erstaunt zu dem Frager hinauf und antwortete: „Aus Kairo in Ägypten.“
„Well! Komm her! Bis ganz heran, gerade unter mir!“
Der Sejjid folgte dieser Aufforderung.
„Heb den Saum deines Gewandes auf! Ich will dir etwas hinabwerfen!“
Omar tat, wie ihm geheißen worden war. Er fing fünf Goldstücke auf.
„So! Dieses Geld ist dein, weil du aus Ägypten bist!“
Hierauf folgte ein zweistimmiges Lachen, welches jedenfalls der unbeschreiblichen Verwunderung galt, mit welcher der Sejjid emporschaute. Er stand ganz starr, das Gesicht nach oben gerichtet und den aufgerafften Saum unbeweglich festhaltend. Dann, als man oben von der Brüstung zurückgetreten war, bewegte er sich langsam auf mich zu, hielt mir die Falten, aus denen die Goldstücke flimmerten, hin und sagte:
„Hast du es gehört, Sihdi? Fünf englische Pfund! Das sind fast tausend ägyptische Piaster! Mir geschenkt, weil ich aus Kairo bin! Rechts macht mich das stolz; links aber ärgert es mich! Diesem Inglis da oben ist Ägypten wert; das freut mich; aber er hält mich nicht für einen wohlhabenden Diener meines Sihdi, sondern für einen armen Teufel, welcher das Gewand aufhebt, um sich Piaster schenken zu lassen. Ich werde hinaufgehen, um ihm das Geld wiederzugeben.“
„Ja, du wirst hinaufgehen, aber das Geld behalten, Omar. Dieser Inglis ist unendlich reich, und er hat dir die fünf Pfund nicht gegeben, um dich zu beleidigen. Er hat dich gesehen und dann gewettet, daß du ein Ägypter seist. Und weil du einer bist, hat er das Geld gewonnen und es dir geschenkt.“
„Maschallah! So bin also ich es, der diese Wette gewonnen hat, nicht er! Denn wenn ich nicht Sejjid Omar aus Kairo wäre, so hätte er sie verloren! Und was ich gewonnen habe, das ist mein; ich werde mich also hüten, es ihm wiederzugeben! Aber du sagtest, daß ich hinaufgehen
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