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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Moslem, sondern als Sejjid Omar gesprochen. Ich bin zwar beides, aber ich kann doch auch einmal nur das eine oder das andere sein! Bei uns sind die Frauen so unwissend, daß die Kinder nichts von ihnen lernen können, auch die Knaben nicht, und wenn sie ihre Klugheit nicht von der Mutter bekommen können, so kann der Vater sie ihnen auch nicht geben, denn wer sich einen Harem anschafft, der keine Seele hat, der hat selbst so wenig Verstand, daß er für seine Kinder keinen übrig hat. Du hast einmal in Colombo mit dem deutschen Wirt gesprochen, bei dem ich wohnte, und dabei auch das Wort Mutterwitz gesagt. Ich verstand es nicht; aber ich habe darüber nachgedacht. Ein witziger Mann ist doch wohl ein gescheiter Mann, und wenn diese Gescheitheit Mutterwitz genannt wird, so ist sie ihm höchstwahrscheinlich von der Mutter angeboren worden. Warum aber haben wir kein arabisches Wort für Mutterwitz? Weil wir keine klugen Frauen und Mütter haben! Aber, weißt du, zuweilen gibt es eine, doch nur zuweilen. Ich kenne nur eine einzige, und die ist meine Mutter! Ich denke oftmals: Wenn ich ein guter Mensch bin, so habe ich das von ihr geerbt; der Vater hat es nur unter seinen Schutz genommen. Ist das dumm von mir?“
    „Nein, lieber Omar, ganz und gar nicht dumm. Du ahnst etwas, was selbst bei uns viele große und gelehrte Männer noch nicht wissen. Du bist fast zu beneiden, daß du, was wir vergeblich suchen, schon so von weitem liegen siehst!“
    „Ich werde es wegnehmen, wenn ich vollends hinkomme. Meine Gedanken werden nicht abirren, sondern auf diesem Weg bleiben. – – – So, jetzt sind die Stiefel fertig, denn die Salbe ist alle. Hoffentlich gibt es in Penang hier einen Laden wo ich morgen wieder welche bekommen kann.“
    Er hatte seinem lieben, guten Herzen Luft gemacht, trug die Schuhe in das Zimmer und ging dann, eine Wasserpfeife zu rauchen. Das und eine kleine arabische Tasse Kaffee dazu, zusammen für ihn kaum mehr als zehn Pfennig kostend, war die einzige Luxusausgabe, welche er sich gestattete. Wie kommt es wohl, daß nur ‚unkultivierte‘ Menschen so bescheiden und zufrieden sind?!
    Am nächsten Frühmorgen wurde ein Spazierritt unternommen, von welchem wir erst gegen Mittag heimkehrten. Nach dem Tiffin ging ich nicht aus, sondern blieb daheim. Ich bin ein eigentümlicher Mensch. Ich kann mich einem Gedanken, welcher mich beschäftigt, niemals eigenmächtig entziehen, sondern ich bin so lange sein Eigentum, bis ich ihn vollständig erledigt habe. Es ist, als stehe ein unsichtbares Wesen bei mir, welches auf diese Erledigung warte und, wenn sie erfolgt ist, mich mit einem Gefühl der Befriedigung belohnt, welches mich mehr als Trank und Speise stärkt. Ich fühle mich dann, selbst nach langer anstrengender Arbeit, während welcher ich nichts genieße, nicht nur geistig, sondern auch körperlich so befriedigt, daß ich kein Bedürfnis nach materieller Nahrung habe. Ist es bloß der Magen, der den Menschen ernährt? Oder findet das, was wir Stoffwechsel nennen, auch noch auf eine andere, geheimnisvolle Weise statt? Ich kann, wenn ich geistig beschäftigt bin, recht gut mehrere Tage ohne Essen und auch Trinken sein, ohne Hunger oder Durst zu spüren. Man sollte diese Erfahrung aufmerksam verfolgen; vielleicht käme man dadurch auf eine ganz unerwartete Erklärung des Bibelwortes, daß der Mensch nicht allein vom Brot lebe; denn, offen gestanden, mache ich die erwähnte Beobachtung meist dann, wenn ich von religiösen Fragen beschäftigt werde. Man wird wahrscheinlich über mich lächeln; ich aber würde mich freuen, wenn ich von anderer Seite erführe, daß ich nicht der einzige bin, der daran zweifelt, daß der Mensch seine körperliche und geistige Entwicklung nur allein dem Verdauungskanal zu verdanken habe.
    Die gestrige Beschäftigung mit dem Aufenthalt und der Krankheit des amerikanischen Missionars hatte alles, was in meinem Innern zu ihm in Beziehung stand, wieder in den Vordergrund gezogen, und da stellte es sich denn heraus, daß ich diesem Gegenstand die Erledigung eines Gedankens schuldig geblieben war. Dieser Gedanke war freilich kein sehr wichtiger, und so hatte es kommen können, daß er einstweilen auf die Seite geschoben werden konnte; jetzt aber machte er sich wieder geltend, und jenes unsichtbare Wesen stand hinter mir und mahnte mich unaufhörlich, diese Lücke auszufüllen. Ich hatte diese Mahnung schon gestern abend in mir gespürt, war während der Nacht einige Male von ihr

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