312 - Die dunkelste Stunde
Dampfwolke entwich seinen Lippen.
Er hat die Kontrolle endgültig verloren!
»Scheiße!« Matt warf sich herum und rannte auf Miki zu. Vor sich sah er Steintrieb und Xij um die Biegung verschwinden.
Schritte erklangen hinter ihm. Schwere Schritte. Erst unkontrolliert, tapsig, dann immer schneller.
Kurz bevor er den Androiden erreichte, rief dieser: »Runter!«
Matt zögerte keine Sekunde, warf sich zu Boden. Noch im Fallen drehte er sich um.
Das Herz blieb ihm beinahe stehen, als er eine groteske Aruula-Version mit Glatze und zu Schwertklingen verformten Armen auf sich zuspringen sah. Er wollte sich zur Seite rollen, doch es war zu spät. Er konnte nicht mehr ausweichen.
Da flog von hinten ein Schatten heran und fing den Daa’muren ab.
Miki Takeo!
Mit beiden Armen umklammerte er Grao, doch es fiel ihm schwer, ihn festzuhalten. Der Außerirdische veränderte immer wieder die Gestalt und wollte sich so dem Griff entwinden.
Der bionetische Strang im Nacken des Androiden war bis zum Zerreißen gespannt. »Er glüht!«, rief Miki.
Matt setzte sich auf. Tatsächlich stoben kleine Dampfwolken aus Graos sich ständig ändernder Gestalt.
»Er explodiert gleich! Ich muss ihn rausschaffen!«
Guter Plan, dachte der Mann aus der Vergangenheit. Dummerweise lag die Schleuse auf der entgegengesetzten Seite des Flächenräumers.
»Aber wie?«, stieß er hervor.
Miki gab keine Antwort. Stattdessen öffnete sich über ihnen ein Schacht im bionetischen Material der Decke. Ein Notausstieg, den der Android als Ersatz-Koordinator der Anlage geöffnet hatte?
Mit dem sich windenden Grao im Griff sprang Miki durch die Luke. Der bionetische Strang löste sich aus seinem Nacken und fiel wie der abgeschlagene Tentakel eines Kraken zu Boden.
Im gleichen Augenblick brach das Chaos im Flächenräumer aus. Plötzlich war das System seiner Steuerung und Kontrolle beraubt. Die diodenähnlichen Lichtpunkte in der Decke erloschen. Eine Sekunde später flammte ein geringer Bruchteil von ihnen wieder auf. Die Notbeleuchtung!
Matt blickte Miki hinterher, doch der war längst durch den Schacht verschwunden.
Andere Geschehnisse zogen seine Aufmerksamkeit auf sich. Die Membrantüren zu den Quartieren und Nebenräumen öffneten und schlossen sich unkontrolliert. Der Monitor der Zieloptik zeigte nichts als tiefe Schwärze.
O Gott! Die Feldstabilisatoren!
Hielten sie die Energie im Zeitfeldprojektor oder waberten Zeitverzerrungen durch den Flächenräumer?
Die Hydriten tauchten neben ihm auf und halfen ihm hoch. Hinter ihnen sah Matt den Rest der Besatzung. Sie alle schauten verunsichert zu dem Schacht.
»Ich glaube, das war mächtig knapp«, sagte Xij.
»Ich bin mir nicht sicher, ob die Gefahr schon vorüber ist«, erwiderte Sinosi Gonzales.
»Seh ich genauso«, erklärte Steintrieb. »Was wird Miki da oben mit ihm anstellen?«
Matt zuckte mit den Schultern. »Solange wir keine Explosion hören, ist hoffentlich alles in Ordnung«, versuchte er sich in Galgenhumor.
»Wie lange kann sich die Anlage ohne Koordinator selbst steuern?«, fragte Clarice Braxton.
Gilam’esh sah sie ernst an. »Wollen wir hoffen, dass Takeo bald zurückkommt und wir es nicht herausfin-«
»Vorsicht!« Xijs gellender Schrei ließ alle zusammenzucken.
Der Schreck verwandelte sich in maßloses Entsetzen, als sie sahen, was durch die offene Luke in den Flächenräumer gekrochen kam.
***
Miki Takeo belastete seine mechanischen Sprunggelenke bis zum Maximum, als er sich zusammen mit dem Daa’muren aus dem Notausstieg katapultierte. Es war kein leichtes Unterfangen, jemanden im Klammergriff zu halten, der sich ständig veränderte. Wenn er ihn so fest an sich drückte, dass Grao seine Arme nicht mehr bewegen konnte, bildete der einfach neue aus.
Glücklicherweise schien er im Augenblick nur eingeschränkte Kontrolle über diese Fähigkeit zu besitzen, sonst wäre es für Miki noch schwieriger geworden.
Ein Mensch hätte sich an der Körperhitze des Daa’muren längst verbrannt. Für seine Plysterox-Panzerung stellte sie glücklicherweise kein Problem dar.
Takeo hetzte über den eisfreien Flächenräumer hinweg. Allein die Umgebungstemperatur ließ Grao ein wenig abkühlen. Aber das reichte nicht aus. Er stand immer noch kurz davor, zu explodieren. Miki durfte keine Zeit verlieren.
Er rannte, ignorierte die Hitze des Daa’muren-Körpers, verdrängte den Gedanken an eine Explosion seines thermophilen Inneren, vor der ihn auch seine Panzerung nicht
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