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313 - Der verlorene Pfad

313 - Der verlorene Pfad

Titel: 313 - Der verlorene Pfad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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nach Aruulas Arm. »Wir haben jeden Winkel an Deck nach Juefaan abgesucht«, rief sie gegen den heulenden Wind an, »aber wir konnten ihn nicht finden! Was sollen wir tun, Königin?«
    »Beidrehen!«, schrie Aruula zurück.
    »Wir sind schon dabei!«
    »Dann hol Lampen her, alles, was wir haben! Und ich will, dass die Beiboote zu Wasser gelassen werden!«
    »Die... Boote ?« Maarue zog ein Gesicht, als hätte man ihr Todesurteil verkündet.
    Aruula ließ sie stehen. Sie hatte den Steuermann entdeckt, der sich mittschiffs an einem Tau festhielt und seine Befehle brüllte. Zu ihm kämpfte sie sich hin. Bis sie ihn erreicht hatte, war sie völlig durchnässt. Eine Eiskruste bildete sich auf ihrem Haar.
    »Joona!«, rief sie dem Steuermann zu. »Ich will, dass die Boote abgelassen werden! Wenn Juefaan ins Meer gestürzt ist, müssen wir ihn retten!«
    Joona wollte etwas sagen, doch die Königin kam ihm zuvor. »Wir müssen es wenigstens versuchen!«, schrie sie, und die Verzweiflung in ihrer Stimme ließ den Seemann verstummen.
    Er nickte kurz, dann wandte er sich um und brüllte: »Die Boote bemannen und wassern! Sofort!«
    Es kann nicht sein, dachte Aruula, während sie sich Hand über Hand an der Reling entlang bewegte. Es darf nicht sein!
    Der Schock und die Angst um Juefaan machten sie innerlich taub. Da war kein Frieren mehr, keine Panik. Keine Tränen. Nur ein schwarzer Abgrund, der sie allmählich verschlang.
    Hört das nie auf?, fragte sie sich. Aruula suchte die dunklen Wogen mit Blicken ab. Ein fast voller Mond stand über dem Meer, hinter vorbeijagenden Wolkenfetzen. Wann immer er durchkam, blitzten und blinkten helle Stellen auf dem Wasser. Eisschollen. Unmöglich, da unten länger als ein paar Minuten zu überleben.
    Wie viel Schmerz werde ich noch erdulden müssen? Wie viele geliebte Menschen muss ich noch verlieren, ehe ich heimkehre in Wudans Reich?
    Zorn kochte in Aruula hoch; ein Zorn, der sich gegen die Grausamkeit und Arroganz der Götter richtete, die sich anbeten ließen und im Gegenzug nichts weiter taten, als den Menschen dabei zuzusehen, wie sie von Schicksalsschlägen kleingepeitscht wurden.
    »Ich erlaube es nicht!«, schrie sie und schlug mit den Händen auf die Reling. »Nein, dieses Opfer bekommt ihr nicht!«
    Sie stemmte sich gegen alle Naturgewalten. Wind, Kälte, Wellengang – Aruula kämpfte sich durch. Wieder und wieder rief sie nach Juefaan. Schaute über Bord, suchte an Deck.
    Die WALEENA verlor an Fahrt. Ihre Segel waren geborgen; nur die großen Klüver standen noch im Wind und halfen dabei, das Schiff herumzudrehen. Beide Boote waren im Wasser. Starke Männer ruderten gegen die Wogen an, begleitende Kriegerinnen hielten Laternen über die Bootsseiten.
    Backbord und Steuerbord der Karavelle waren ebenfalls mit Lampen bestückt. Kleine Lichter, die viel zu wenig Helligkeit schufen und doch Hoffnungsschimmer waren. Die gesamte Besatzung hatte sich an Deck versammelt. Alle riefen einen Namen. »Juefaan!«
    Und irgendwo aus der Nacht klang eine Antwort: »Hier! Ich bin hier!«
    Aruulas Kopf flog herum. Woher kam das? »Juefaan?«
    »Aruula!«
    Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie beugte sich über die Reling, starrte hinunter. Nichts. Suchte zwischen den Decksaufbauten. Auch nichts.
    Doch dann, als sie die tropfnasse Takelung ergriff, um von einem Brecher nicht weggespült zu werden, erinnerte sie sich an etwas. Sie hatte Juefaan vor dem Zubettgehen erzählt, dass es morgen viel zu tun gäbe: Segel setzen, die Ladung überprüfen...
    Und Piraten? Sollen wir auch nach Piraten Ausschau halten?, hatte er mit glänzenden Augen gefragt.
    »Der Ausguck!«, flüsterte Aruula. Ihr Blick wanderte den Mastbaum hinauf. An den Rahen vorbei, die Takelung hoch, bis ganz nach oben. Dort, wo die Mastspitze den Nachthimmel entlang zu kratzen schien, war eine winzige Plattform mit Holzumrandung angebracht, das so genannte Krähennest. Nur von dort aus würde man Piraten rechtzeitig sichten können.
    Die Kriegerin setzte den Fuß auf einen Seilzug am Mast, zog sich hoch und begann zu klettern. Sie war nicht unerfahren auf hoher See, hatte das alles schon gemacht. Und doch war es brandgefährlich, dieses ungesicherte Aufsteigen bei Wind und Seegang. Wenigstens waren die Segel eingeholt; so musste sie nicht befürchten, von einer zurückschlagenden Leinwand getroffen und in die Nacht katapultiert zu werden.
    »Juefaan!«, rief Aruula nach oben. »Bleib still sitzen! Rühr dich nicht vom Fleck!« Das war

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