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313 - Der verlorene Pfad

313 - Der verlorene Pfad

Titel: 313 - Der verlorene Pfad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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Nimuees Sicherheit konnte er nicht geben. Deshalb war die schöne Frau, die der König über alles liebte, daheimgeblieben.
    Die Nachricht, dass Rulfan heiraten wollte, hatte Jed überrascht. Sein Freund war für ihn immer der geborene Einzelgänger gewesen, ein unsteter Geist, überall auf der Welt zuhause – und nirgends. Was mochte ihn umgestimmt haben? Wurde er alt?
    Jed blickte auf, als zwei Burgwächter die Flügeltüren des Thronsaals aufzogen.
    Und da stand der Grund für Rulfans Entschluss.!
    Myrial verharrte im offenen Eingang, statuengleich, wunderschön. Sie trug ein bodenlanges weißes Kleid mit eng anliegenden Ärmeln. Perlenstickereien an der Büste und V-förmig von den Hüften über den Bauch fallend, brachten ihre frauliche Figur aufs Vorteilhafteste zur Geltung. Die kastanienroten Haare hatte sie hochgesteckt und ein weißes Seidenband eingeflochten. Es lief knapp unterhalb des Haaransatzes über ihre Stirn, was den dort angehängten Kristallsplitter bei jeder Bewegung aufblitzen ließ. Ein kleiner Winterstrauß in ihren Händen rundete das Bild ab.
    Ohne einen Blick von der schönen Frau zu lassen, erhob sich Jed vom Thron. Er wirkte ein kleines bisschen perplex – er hatte Myrial noch nie so hergerichtet gesehen.
    Die Gäste sprangen sofort von ihren Stühlen auf, als sich der König bewegte, und alle blickten wie er zum Eingang. Ein Chor aus gedämpften Ohs! und Ahs! wehte durch den Raum. Dann traten die Barden in Aktion und zu den Klängen einer überlieferten schottischen Weise setzte sich Myrial in Bewegung.
    Rulfan stand wie vom Donner gerührt vor dem Thron und sah seiner Zukünftigen entgegen. Wie schön sie war! Wie begehrenswert! Vor wenigen Stunden noch hatte er gezögert und gezweifelt – doch jetzt, als Myrial leichtfüßig wie ein junges Mädchen durch das Jungfernspalier auf ihn zu schritt, erinnerte er sich nicht einmal mehr an den Grund.
    Er hörte, wie die Laute der Bewunderung sich Reihe um Reihe verwandelten. Wie die anwesenden Damen kurze spitze Schreie ausstießen und die Herren unisono tiefste Zufriedenheit äußerten. Warum das geschah, wusste Rulfan nicht. Das konnte er auch nicht, denn dazu hätte er hinter Myrial treten müssen: Ihr vorne hochgeschlossenes Kleid war rückenfrei bis zu den Grübchen über ihrem Po!
    Myrial trat an seine Seite und beide wandten sich dem König zu. Hinter ihnen begann ein kurzes Stühlerücken. Die Gäste nahmen wieder Platz; ein Husten hier, ein Niesen da, dann senkte sich erwartungsvolle Stille über den Saal.
    Rulfan tastete nach Myrials Hand, als der König vor ihn trat. Ihre war warm und weich, seine war kalt und zitterte.
    Reiß dich zusammen!, dachte er nervös.
    »Meine Untertanen! Liebe, äh, Freunde!«, hob Jed Stuart an. »Wir sind an diesem, hm, herrlichen Wintertag hier zusammengekommen, um Rulfan von Coellen und Myrial zu, ähm, vermählen. Vor Wudan und den Menschen meines Königreichs und der Welt sollen sie fortan, nun ja, ein Paar sein...«
    Bitte, Jed! Hör auf, so salbungsvoll zu säuseln! Rulfan biss sich auf die Lippen.
    »… das niemand mehr auseinander bringen darf. Wenn also jemand unter euch ist, der einen, äh, Grund nennen kann, warum die beiden nicht den, hm, heiligen Bund der Ehe schließen sollten...«
    Bei Wudan! Das halte ich nicht aus! Rulfans Mundwinkel zuckten. Heldenhaft kämpfte er gegen das Lachen an, das unbedingt aus ihm herausplatzen wollte – obwohl es doch eigentlich gar nichts zu lachen gab. Nun ja, außer Jeds Ausdrucksweise vielleicht, aber an seine vielen Ähs und Hms hatten sie sich längst alle gewöhnt und nahmen sie gar nicht mehr wahr.
    »… so möge er jetzt sprechen oder, hm, für immer schweigen«, schloss der König und starrte die Gäste derart drohend an, dass niemand auch nur zu husten wagte. Geschweige denn Einspruch zu erheben.
    »Gut!« Jed nickte zufrieden ob der Stille im Saal. »Dann lasst uns beginnen!«
    Komm lieber zum Ende! Rulfans Blick und der des Königs begegneten sich. Jed stutzte einen Moment. Dann erwiderte er ein Lächeln, das ein Grinsen war und ihm gar nicht galt.
    »Rulfan«, sagte er freundlich. »Erklärst du vor Wudan und allen Göttern, dass du, äh, freiwillig und ohne Zwang hier erschienen bist, um Myrial zur, hm, Frau zu nehmen?«
    »Sicher doch«, brummte Rulfan, was ihm einen harten Rippenstoß einbrachte. Myrial beugte sich ihm zu und zischte: »Ja!«
    »Ja!«, wiederholte der Albino laut.
    Jed Stuart tat, als hätte er das Missgeschick gar

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