315 - Apokalypse
endlich... in... Frieden! Warum...
Warum, warum. Du willst es nicht begreifen. Du hast mich verraten! Hättest du deinen sterbenden Körper in Gilam’esh’gad durch einen hydritischen ersetzt, hätte ich mit meiner großen Liebe Gilam’esh durch das Zeitportal in die Vergangenheit fliehen und ein neues Leben aufbauen können. Aber du hast dich für einen Menschenkörper und diesen Drax entschieden. Wenn das kein Verrat ist...
Nein, nein... Du... bist doch ein Teil meines eigenen... Bewusstseins...
Und nicht nur das – mit mir hat die ganze Geistwanderei damals angefangen! Umso schlimmer ist es, dass du gerade mich verraten hast.
Aber Gilam’esh liebt dich längst nicht mehr, das hat er selbst ge-
Genug jetzt, Schlampe! Tu es endlich!
Neiiiiiiiiin...
Xij keuchte erneut, ihre Augen traten ein wenig aus den Höhlen, sie ächzte und würgte. Da war doch noch Kraft, sich dem Monster in ihr entgegen zu stemmen.
Auf Rotgrund, dem Mars, war Manil’bud einst Gilam’eshs Geliebte gewesen. Eine große Liebe, wie Xij inzwischen wusste. Viele Millionen Jahre war es her, dass die beiden Hydree durch den Zeitstrahl getrennt worden waren. Manil’bud hatte sich als Geistwanderin durch die Erdzeitalter geschlagen, war immer wieder in einen neuen Körper geschlüpft – bis sie in Agartha in eine Falle gelaufen war.
Dort hatte man sie mit der Gedankensphäre verbunden – mit fatalen Folgen. Als sie sich von der Maschine losriss und flüchtete, waren ihre früheren Leben darin zurückgeblieben und sie hatte sich fortan ohne das Wissen um ihre Herkunft und Fähigkeiten behaupten müssen. Ihre Geistwanderer-Kräfte waren zum Automatismus verkommen: Wann immer sie starb, wurde sie wahllos in einem Fötus wiedergeboren, der irgendwo auf der Welt gerade sein Bewusstsein entwickelte, etwa sechs Monate vor der Geburt.
So war sie schließlich zu Xij aus Ambuur geworden – und als solche nach Jahrhunderten nach Agartha zurückgelangt. Hier zerstörte sie die Gedankensphäre und erlangte all die gestohlenen Erinnerungen zurück, darunter auch die von Manil’bud, mit der alles begonnen hatte.
Doch blieben diese früheren Leben stets im Hintergrund; nur wenn Xij in Not geriet, konnte sie auf deren Fähigkeiten wie fremde Sprachen oder Kampftechniken zurückgreifen. Es musste mit dem verderblichen Einfluss des Streiters zusammenhängen, dass Manil’bud, das wohl stärkste Bewusstsein von allen, nun so brutal an die Oberfläche drängte und auf Rache sann.
Als wäre dies ein Stichwort gewesen, kam in diesem Augenblick der mentale, alles entscheidende Schlag mit Urgewalt. Xij schrie qualvoll und bäumte sich auf. Für einen Moment stand sie kerzengerade da. Dann brach sie zusammen wie eine Marionette, der man die Fäden gekappt hatte.
Doch Manil’buds neuerliche Attacke hatte sie nicht umgebracht, sondern lediglich in eine tiefe Bewusstlosigkeit geschickt. Als Xij Minuten später wieder zu sich kam, hatte der Geist der Hydree eine andere Lösung für ihr »Problem« gefunden.
Der Streiter hat sich auf den Weg gemacht, verkündete sie. Doch du wirst seine Ankunft nicht erleben. Zieh dich aus! Und dann geh hinaus ins Eis. Erfrieren ist ein wunderschöner Tod, weißt du das? Ah, natürlich weißt du das; du bist ihn ja schon mehrfach gestorben.
Xij schüttelte sich. Zu mehr war sie nicht mehr fähig. Von dem fremden Willen gesteuert, zog sie langsam den Reißverschluss der Thermojacke hinunter. Sie streifte sie ab, dann ihre Unterkleidung und schließlich ihre Unterwäsche. Obwohl es immer noch bitterkalt in der Schleuse war, fror sie nicht. Manil’bud unterdrückte ihr Kälteempfinden. Noch.
Die knabenhaft wirkende junge Frau wankte durch die Außenschleuse ins Freie – und stand in einem Eisspalt mit senkrechten, himmelhoch aufstrebenden Wänden. Kurz sah sie nach oben zu dem kleinen Ausschnitt Himmel, der aus dieser Perspektive noch blieb. Dort tobte ein verheerender Schneesturm, während sie in der Spalte, vor allem hier auf dem Grund, noch relativ geschützt war. Kaum eine Flocke wirbelte herunter.
Wie schön es dort oben ist. Dort kann ich viel besser erfrieren als hier unten...
Hämisches Lachen erklang in ihren Gedanken. Aber natürlich, Schlampe. Worauf wartest du noch? Geh hoch. Sofort!
Ein seliges Lächeln erschien auf Xijs Gesicht. Sie trat an die bionetische Aufzugsröhre heran, um sich mittels Kontraktion des Röhrengewebes nach oben tragen zu lassen.
Wie schön es ist, wenn man schwebt. So leicht, so
Weitere Kostenlose Bücher