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316 - Die Pest in Venedig

316 - Die Pest in Venedig

Titel: 316 - Die Pest in Venedig
Autoren: Michelle Stern
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Mögliche: Sie riss ebenfalls am Kleid und zerrte es sich über den Kopf. Gut, dass sie ihre eigenen Sachen darunter trug, sonst hätte sie jetzt hüllenlos dagestanden. Schwerfällig kämpfte sie sich hoch und erreichte endlich den Ausgang.
    »Bleib stehen!«, brüllte da Bellini ihr nach.
    »Träum weiter!«, brüllte Xij zurück, während sie die schwere Tür aufriss. Zu ihrem Glück war sie unverschlossen. Xij taumelte die drei Treppenstufen aus Marmor hinunter – und landete unversehens in den Armen von Matthew Drax. »Matt! Gottseidank!«
    Besorgt sah er sie an. »Bist du okay?«
    Unter anderen Umständen hätte sie seine Nähe vielleicht genießen können, so aber löste sie sich von ihm. »Weg hier!«
    »Fangt sie ein! Sie haben mich angegriffen!«, schrie Angelo da Bellini hinter ihnen.
    »Komm!« Xij packte Matt an der Hand und zerrte ihn in Richtung der Gasse. »Ich weiß, wo noch Nachtmarkt sein müsste!«
    Matt stolperte hinter ihr her. »Geht es dir gut? Hat er dich...«
    »Nichts passiert«, keuchte sie im Laufen. »Venedig eben.« Innerlich fühlte sie sich überhaupt nicht so cool, wie sie sich gab. Am liebsten hätte sie ausgespuckt, wenn sie an die Ereignisse der letzten Stunden und das skurrile Zimmer mit der Leiche dachte. Aber das brauchte Matt nicht zu wissen.
    Hinter ihnen nahmen gleich sechs Wachen die Verfolgung auf. Da Bellini gab Befehle. Du kriegst uns nicht, du Monster , dachte Xij voll Abscheu. Sie brachte Matt über eine Brücke und rannte quer über den Markusplatz, auf dem sich auch um die Uhrzeit noch Menschen aufhielten.
    Matt fluchte neben ihr, vom Sprinten außer Atem. »In diesen Scheiß-Klamotten kann ich kaum laufen...«
    »Zieh die Kutte aus!«, brachte Xij ebenso atemlos hervor. Sie lotste ihn in eine Gruppe betrunkener Venezianer, die irgendetwas feierten.
    Matt wurde langsamer, riss sich die Kutte in der Bewegung über den Kopf und hetzte weiter. Nun gab er das Tempo vor und Xij konnte kaum mithalten. Obwohl es später Abend war, herrschte noch immer Betrieb in den Gassen, wenn auch wesentlich weniger als am Tag. Sie legten eine gute Strecke zurück, passierten dabei zwei Holzbrücken und gewannen immer mehr Abstand. Xij drehte sich im Rennen um. »Ich glaube, wir...«
    Sie schrie auf. Im vollen Lauf prallte sie gegen eine mit Kleidung beladene Schubkarre, die dicht am Kanal stand. Ihr Becken schien in tausend Teile zu zersplittern. Sie wollte sich an der Karre festklammern, die langsam kippte.
    »O mein Gott«, brachte Matt hervor.
    Xij sah nach unten. Adrenalin raste durch ihren Körper. »Scheiße!« Das waren keine Kleider. Vor ihr lagen drei Pesttote! Anscheinend hatte man sie zu einem der Feuer bringen wollen. Die Schubkarre bewegte sich wie in Zeitlupe, wurde schneller und knallte auf die Lehmziegel am Rand des Erdwegs. Die Leichen rutschten in den Kanal hinein.
    Über ihnen im Haus wurden Rufe laut. Auf der Brücke blieb jemand stehen und begann zu zetern. Ein Kanalreiniger, der wenig begeistert über den Vorfall schien.
    »Weg hier!« Xij sprang zurück. Angst würgte sie, sich infiziert zu haben. Aber das war unwahrscheinlich, denn sie hatte die Leichen ja nicht berührt. »Gondoliere!« Sie rief es auf Italienisch zu einer Gondel hinüber, die träge in einigem Abstand durch das dunkle Wasser glitt. »Komm her, avanti, wir zahlen gut!«
    Der mit einem Turban umwickelte Kopf des Mannes drehte sich ihr zu. Die Gondel nahm Kurs auf sie und Matt.
    Er hatte das Ufer fast erreicht, als er die Leichen im Wasser sah. »Yah Allah [4] !«, stieß er hervor und wollte abdrehen.
    »Spring!« Xij setzte auf die Gondel über. Das Boot schwankte heftig. Der Gondoliere, ein Hüne von Kerl, versuchte das Gleichgewicht zu halten. Das Steuerende seines langen Ruders schwankte durch die Luft. Xij packte es und riss es ihm aus der Hand. In dem Moment sprang Matt in die Gondel und brachte sie fast zum Kentern. Hastig lenkte Xij gegen, indem sie das Ruder in den Kanal tauchte.
    Der Gondoliere, der wohl einen Überfall vermutete, stürzte sich auf Matt und stieß ihn nieder. Schon holte er aus, um kräftig zuzuschlagen. Das Boot schwankte. Xij musste den Stab hastig auf die Gegenseite nehmen. Aus der Ferne hörte sie bereits da Bellinis aufhetzende Rufe zwischen dem Gezeter des Kanalreinigers. Wenn sie nicht schnell losfuhren, würden die Verfolger sie einholen.
    ***
    Grao’sil’aana ärgerte sich auf dem Weg zum Markusplatz darüber, einen Fehler begangen zu haben. Natürlich gab
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