316 - Die Pest in Venedig
es keine Lesh’iyes in Venedig. Er hatte wertvolle Zeit verloren wegen einer terrestrischen Tierart, die er nicht kannte, weil sie irgendwann in der Zukunft aussterben würde. Am besten gab er das ganze Thema auf und konzentrierte sich einzig darauf, die Zeitblase zu finden. Zwar wusste er ungefähr deren Höhe, aber die genaue Position würde er noch bestimmen müssen.
Zum Glück gab es viele Schiffe mit hoch aufragenden Masten an den Molen. Eines lag sogar recht nah an der Stelle der Lagune, wo sie ans Ufer gestiegen waren. Es handelte sich um ein Fischerboot mit dem aufgemalten Namen PRIMA DONNA. Gerade wurde der Fang abgeladen. Einige Männer hielten Fackeln, während andere Netze schleppten.
Grao’sil’aana ging auf das Schiff zu. Im Licht der Fackeln erkannte er einen Fischer in einfacher Kleidung an der Mole, der dort auf und ab ging, immer wieder zum Schiff hinüber sah und irgendetwas in dieser viel zu schnellen, viel zu lauten Sprache von sich gab. Anscheinend ging ihm das Ausladen nicht zügig genug, denn er wedelte hektisch mit den Händen in der Luft herum, um die anderen Männer anzutreiben.
Der Daa’mure hob seine Hand und veränderte mit einiger Konzentration die Zusammensetzung seiner Schuppen. Mehrere Goldstücke erschienen auf der Handinnenseite. Er setzte ein menschliches Lächeln auf und trat an den Fischer heran. Durch die Münzen gewann er sofort die Aufmerksamkeit, die er haben wollte. Mit Hilfe der Sprache der Wandernden Völker und wildem Gestikulieren gelang es ihm, dem Mann zu vermitteln, dass er ein kurzes Stück mit dem Schiff fahren wollte und eine der Fackeln sowie ein Stück Stoff brauchte.
Inzwischen waren mehrere Seeleute auf sie aufmerksam geworden, was Grao’sil’aana missfiel. »Los«, zischte er. »Wenn du das Gold willst, beeil dich.«
Auch wenn der Fischer die Worte vermutlich nicht genau verstand, brachte er Grao zum Schiff. Der Daa’mure wunderte sich einmal mehr darüber, wie leicht die Primärrassenvertreter zu lenken waren, wenn man ihnen aus Erz gewonnene Metallstücke zeigte.
Er ging an Bord. Ein zweiter Fischer rannte los und kam kurz darauf mit drei Kerlen zurück. Sie wirkten alle aufgekratzt und behandelten ihn dank seines Goldschwindels sehr zuvorkommend. Das Schiff glitt in die von Grao’sil’aana angegebene Richtung. Unter dem Kopfschütteln der Fischer kletterte er nach einigen Minuten mit der entzündeten Fackel und einem nassen Stück Tuch den Mast hinauf. Schwarze Rauchfetzen stiegen auf, als er versuchte, das Tuch zu entzünden.
Die Fischer riefen etwas, Grao winkte herrisch ab. Das Schiff drehte sich gemächlich. Konzentriert suchte er die Luft ab, bis er endlich den zarten unteren Rand der Blase nur einen halben Meter über der Fackel ausmachte. Grao ließ das Schiff einen Bogen fahren und die Stelle erneut ansteuern. Gleichzeitig kletterte er noch ein Stück höher.
Er spannte sich an. Wenn Mefju’drex gelogen hatte, würde er gleich wieder im Flächenräumer sein. Langsam näherte sich das behäbige Gefährt der Stelle. Mit der Fackel voran sah Grao’sil’aana erneut die Umrisse, diesmal auf der richtigen Höhe. Er streckte die Hand aus. Das Schiff fuhr weiter – und drückte ihn gegen einen unsichtbaren Widerstand.
Grao spürte eine Hitzewelle durch seinen Körper fließen. Die Zeitblase stieß ihn ab! Er nahm eilig die Hand zurück, doch die Vorwärtsbewegung des Schiffes ließ sich nicht aufhalten. Mit brutaler Gewalt quetschte ihn die Zeitblase gegen den Mast und bog ihn durch.
Schnell rutschte Grao’sil’aana am Holz abwärts. Der Mast glitt durch das Phänomen hindurch. Die Fischer sahen ihn erschreckt und ratlos an. Natürlich hatten sie den Widerstand in der freien Luft bemerkt und fragten sich vermutlich gerade, ob sie es mit Teufelszeug zu tun hatten.
Der Daa’mure ließ sie im Ungewissen und merkte sich die Position der Zeitblase. Mefju’drex hat also die Wahrheit gesagt , dachte er emotionslos. Nur zu dritt werden wir durchkommen. Er blickte zum Markusplatz hin. Das Portal befand sich auf der verlängerten Geraden, die vom Dogenpalast über die zweite Monolithsäule führte. Am besten brachte er eine genaue Markierung am Ufer an, und danach musste er Xij und Mefju’drex suchen. Zielstrebig ging er zur Reling.
»No, no!«, hörte er aufgeregte Stimmen hinter sich. Zwei Fischer packten ihn an den Schultern. Sie fürchteten wohl, er wolle von Bord springen. »Pagare, eh?« Sie zogen ihn zurück. Einer sah
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