317 - Die letzten Stunden von Sodom
auf die Unruhe im Baderaum aufmerksam geworden waren. Im nächsten Moment rissen starke Arme Xij vom Boden hoch. Als sie auf Höhe der Gesichter angekommen war, erkannte Xij ihren Irrtum.
Sie sah Matthew Drax in die Augen! Da er eine sodomitische Uniform samt Brustharnisch, einer kurzen Toga und einem Helm trug, hatte sie ihn nicht gleich erkannt. Seine Füße steckten in Sandalen, an seinem Gurt hingen ein Krummsäbel und ein Dolch. Der Mann neben ihm sprengte mit seiner Leibesfülle fast die Uniform: Hermon, Graos Tarngestalt. Er hätte sich auch das Aussehen eines griechischen Helden geben können, doch nachdem er sich auf die Erscheinungsform des fahrenden Händlers festgelegt hatte, konnte er sie schlecht ändern.
Die Damen hinter Xij kreischten auf und sprangen kollektiv ins Wasserbecken, um sich vor den Blicken der beiden vermeintlichen Wachen zu retten. Was wiederum bedeutete, dass niemand Matt und Grao hier eingeteilt hatte.
Xij schaltete schnell und flüsterte ihren beiden Gefährten »Mitkommen, Bursche!« auf Hebräisch zu. Matt wiederholte die Worte laut und zog den angeblichen Burschen mit sich und aus Sichtweite der Frauen.
»Das war knapp«, sagte er draußen im Gang. Grao achtete darauf, dass ihnen niemand folgte. »Was wolltest du denn da drin?«
»Ich hab die Waffenkammer gesucht.« Xij zeigte Matt den Schlüssel, den sie Melchior gestohlen hatte. »Gestern wusste ich noch, wo sie war, aber jetzt finde ich sie nicht mehr.« Sie musterte ihre Gefährten. »Wie seht ihr denn aus?«
Matt verzog das Gesicht. »Man muss nicht nur mit der Zeit, sondern auch mit der Mode gehen.«
Xij grinste breit. »Schick. Aber du solltest dir die Beine rasieren.«
»Ich erinnere mich, dass wir an einer Tür mit diesem Symbol vorbeigekommen sind.« Grao’sil’aana deutete auf ein Treppenhaus. »Folgt mir.« Er setzte sich in Bewegung. Xij und Matt schlossen sich ihm an.
»Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee war, Melchiors Einladung anzunehmen und ins sodomitische Militär einzutreten.« Matt rückte seinen Helm gerade. »Wir können nicht lange hier bleiben, Xij. Der schwule Hauptmann hält dich für einen Knaben.«
Xij seufzte. »Du wirst es nicht glauben, aber das habe ich bemerkt.«
»Wie hast du die Nacht überstanden?«, wollte Matt wissen. In seiner Stimme klang mehr als nur Besorgnis mit.
»Problemlos«, erwiderte sie. »Der Kerl war so abgefüllt, dass er gleich umgekippt und weggedämmert ist. Heute Morgen habe ich ihm dann von einer unvergesslichen Nacht berichtet. Er hat’s geschluckt.«
»Das wird er in der nächsten Nacht sicher nicht mehr«, gab Matt zu bedenken. »Bis dahin müssen wir von hier verschwunden sein, ob mit oder ohne eine Waffe gegen die Asseln.« Am Ende der Treppe tat sich wieder ein Gang auf, dem sie folgten. »Und das könnte schwierig werden«, fuhr Matthew fort. »Sicher braucht man als Mitglied der Armee einen Passierschein, bevor man den Standort verlassen kann.«
»Kein Problem«, knurrte Grao. Er war recht wortkarg in letzter Zeit. Man spürte deutlich, dass sie diesen Ort längst verlassen hätten, wäre es nach ihm gegangen. Aber das war so nicht möglich: Nur zu dritt – so wie sie das Zeitportal im Flächenräumer betreten hatten – konnten sie auch in die nächste Epoche weiterreisen. »Ich kann mich in Melchior oder sogar Orlok verwandeln, wenn es nötig wird. Dann hält uns keiner auf.«
Matt nickte. »Gut zu wissen.«
»Apropos Melchior und Orlok«, sagte Xij. »Ich habe da was Interessantes erfahren...« Und sie berichtete kurz, was ihr aus Orpheas Mund zu Ohren gekommen war. »Allem Anschein nach sind Melchior und sie bestrebt, sich den König vom Hals zu schaffen.«
»Das hat uns nicht zu interessieren«, sagte Matt. »Wir dürfen den Lauf der Geschichte nicht wesentlich verändern. Und den Mord an einem König zu verhindern wäre ein nicht gerade kleiner Eingriff.«
»Das finde ich auch«, ließ sich Grao vernehmen. »Töten wir diese Asselbrut und verschwinden von hier.« Er wies den Gang hinunter. »Wir sind gleich da. Hinter der nächsten Gangbiegung müsste die Waffenkammer liegen.«
»Außerdem geht Sodom ohnehin irgendwann unter«, fügte Xij hinzu. »Wenn man der Bibel glaubt, stehen die Leute hier kurz davor, von den Engeln des Herrn plattgemacht zu werden.«
»Engel?« Grao beherrschte die menschliche Mimik so gut, dass man ihn sein Stirnrunzeln hundertprozentig abkaufte.
»Die Gestalt, die du bei den Dreizehn Inseln angenommen
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