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317 - Die letzten Stunden von Sodom

317 - Die letzten Stunden von Sodom

Titel: 317 - Die letzten Stunden von Sodom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Speichellecker, die Orlok für Freunde hielt. Und jene schleimigen Kreaturen, die ein Intrigant brauchte, um sich nach oben zu meucheln.
    In den Königreichen des Jordanlandes nannte man diese Menschen »Meuchelmörder«. Wollte man sich ihrer Dienste versichern, tat man aber gut daran, diesen ehrabschneidenden Ausdruck zu vermeiden. Wie alle anderen Angehörigen seines Berufsstandes ließ sich auch der hübsche Ismael lieber Assassine nennen.
    Im Gegensatz zu vulgären Mördern gingen Assassinen einem ehrenwerten Gewerbe nach: Sie meuchelten nicht aus niederen Beweggründen, sondern für gut zahlende Auftraggeber, denen sie – wie Künstler – einen Dienst erwiesen. Ihr Dienst veränderte oft eine politische Lage. Ob sie sich zum Besseren oder Schlechteren hin änderte, interessierte den Assassinen wenig: Sobald sein Kunstwerk vollendet war und er sein Blutgeld erhalten hatte, wandte er sich neuen Aufgaben zu. Politik war ihm zuwider. Ebenso behagte es ihm nicht, Leidenschaft zu empfinden oder sich nach vollendeter Tat zufrieden zu fühlen.
    Im Moment lag Ismael in seidenen Gewändern in einem Viertel in Marktnähe auf den seidenen Laken seines mit Eiderdaunen gepolsterten Lagers und begutachtete seine langen, violett bemalten Fingernägel. Sein Gesicht war zu einem Ausdruck verzogen, den man fünftausend Jahre später den Ausdruck einer »beleidigten Leberwurst« nennen würde.
    Warum er so beleidigt dreinschaute? Melchior hatte ihm gerade Dinge gesagt, die ihn ärgerten. Zum Beispiel: »Wenn du dir nicht ganz sicher bist, ob das Gift die gewünschte Wirkung erzielt, solltest du dir vielleicht Testpersonen suchen, deren Gewicht dem meines schwachköpfigen Bruders entspricht – und ihnen deinen Trank zu kosten geben!«
    Ismael funkelte Melchior aus seinen schönen braunen Augen an. »Du vergisst wohl, dass ich hier die bescheidene Existenz eines einfachen Höflings führe«, erwiderte er in einem quengelnden Tonfall. »Wenn ich Sklaven auf dem Markt kaufe, mache ich mich doch sofort verdächtig!«
    »Dann beauftrage einen Mittelsmann damit«, fauchte Melchior. »Meine Schwester, deine künftige Gattin, wird allmählich ungeduldig! Vielleicht entzieht sie mir irgendwann die Gunst und ehelicht einen anderen.«
    »Ein Mittelsmann ist immer auch ein Mitwisser.« Ismael stand und warf einen Blick aus dem Fenster. »Ein Assassine gibt sich nicht preis.« Er wandte sich um. »Und wer trägt die Kosten?«
    Melchior riss sich zusammen. Unter normalen Umständen hatte er Ismael aufs Bett geworfen und gewürgt. Aber ihm war schmerzlich bewusst, dass er nur ein Bittsteller war und von seinem Wohlverhalten viel abhing.
    Auch ein Hauptmann königlichen Geblüts konnte nicht auf dem Marktplatz ausrufen lassen, dass er jemanden suchte, der seinen Bruder aus dem Weg räumte. Er hatte den widerlich schönen Ismael auf einer Orgie in Gomorrha kennen gelernt, wo er sich abwechselnd in den Armen von Frauen und Männern gewälzt hatte. Melchior hatte unter der Hand erfahren, dass Ismael der Sohn eines geschassten Fürsten sei – und der beste Giftmischer der Jordanebene.
    Er hätte es als kompromittierend empfunden, Ismael direkt um seine Dienste zu ersuchen. Also hatte er ihm vor einem halben Jahr einen gut dotierten Vertrauensposten am Hof des Sodomiterkönigs besorgt, damit er problemlos ein- und ausgehen konnte. Doch einen Beweis seiner Fähigkeiten war er ihm bisher schuldig geblieben.
    »Es wäre gar kein Problem, etwas in seinen Wein zu gießen, das ihn tot umfallen lässt.« Ismael spitzte die Lippen. »So verführe man vielleicht, wenn es um einen Kameltreiber ginge.« Seine Augen blitzten. »Dazu braucht man aber keinen Assassinen! Das könnte jeder Dorftrottel tun! Dein Bruder ist ein komplizierter Fall! Um Menschen seiner Position zu beseitigen, bedarf es eines Künstlers! Orlok ist von Leibwächtern, Beratern und heilkundigen Kapazitäten umgeben. Fiele er einfach tot um, würden sie sofort auf Gift schließen und die Verdächtigen unter den Gästen des Abends suchen.« Er lächelte tückisch. »Wenn aber sein Ableben im Schlaf geschieht, alles auf einen natürlichen Tod hinweist und wir nicht in der Nähe sind, wird uns niemand verdächtigen. Mein... Mittel muss seine Wirkung erst eine gewisse Zeit nach der Verabreichung entfalten. Wann genau, bestimmt die Dosis, und um die Dosis zu bestimmen, muss man das Gewicht des Opfers kennen.«
    »Ja.« Melchior nickte. Er hatte begriffen: Wenn Ismael sich verrechnete, war

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