317 - Die letzten Stunden von Sodom
Menschengestalt knurrte, dass Enoch und der Gelehrte erstaunt zu ihm blickten. Xij erklärte ihnen, was sie vorhatten, und der Gardist nickte eifrig. »Hauptmann Melchior weiß sicher, wo eine größere Menge Gift aufzutreiben ist«, sagte er. »Wir sollten ihn heute Abend darauf ansprechen.«
***
Nach der Rückkehr ins Stadtzentrum führte Enoch die Neuen in eine gehobene Lokalität. Zuerst glaubte Matt, ihr Führer verfüge zu diesem Zweck über eine Art Spesenkonto, doch wie sich ergab, brauchte kein uniformierter Gardist in den Gasthäuser Sodoms etwas zu bezahlen.
Im Restaurant, das sich vom gestrigen erheblich unterschied, begegneten sie auch dem Kaufmann wieder, dem sie am Tor gegen die Räuber beigestanden hatten. Er hatte seine Mahlzeit gerade beendet und befand sich schon auf dem Weg in sein Geschäft, doch als er Matt erkannte, begrüßte er ihn und die anderen erfreut und lud sie ein, bald in seinen Laden zu kommen; er wolle sich mit passenden Geschenken bedanken. Als er gegangen war, erkundigte sich Matt bei Enoch nach seinem Namen. Die Antwort – »Lot« – machte ihn fassungslos.
Hatte Lot Töchter? Enoch fragte den Wirt und erwiderte: »Ja, zwei. Warum fragst du, Maddrax? Wandelst du auf Freiersfüßen?«
»Oh, nein.« Dass ihn die Frage beschäftigte, ob Lot etwa der Lot aus der Bibel war, wollte er dem Gardisten nicht auf die Nase binden. »Ich dachte nur, es ist besser, wenn man es weiß. Ich kenne eure Sitten nicht. Vielleicht will er uns seine Töchter zum Geschenk machen.«
Enoch lachte. »Lot ist ein reicher Mann. Reiche Männer verschenken keine Töchter. Ich wette, er wird pro Tochter mindestens hundert Ziegen nehmen.«
»Ach.« Matt seufzte erleichtert. »Ich bin ein armer Mann.«
Nach dem Essen verabschiedete sich der Gardist.
Matt, Xij und Grao nutzten die nachmittägliche Kühle und machten sich über die Hauptstraße in Richtung Stadttor auf. Sie wollten zum Asphaltsee, um nach den übel riechenden Bodenlöchern zu suchen, von denen Melchior berichtet hatte. Auf dem Weg begegnete ihnen eine von Sklaven getragene Sänfte. In ihr ruhte eine gelangweilt dreinschauende, übermäßig bemalte, mit Gold behängte Dame. Sie hatte ein hübsches Gesicht und schwarzes Haar.
»Das ist Prinzessin Orphea«, raunte Xij. »Melchiors mordlüsterne Schwester...«
Orpheas Blick fiel auf Matt. Ihn beschlich sofort das eigenartige Gefühl, dass die Prinzessin Gefallen an ihm fand. Gleichzeitig wurde ihm bewusst, dass sie ihm als Schwester des Königs sogar Befehle erteilen konnte. Immerhin trug er die Uniform der Garde. Er hatte den Gedanken gerade zu Ende gedacht, als Orphea den Trägern zu Halten gebot.
Doch bevor die Muskelmänner die Sänfte abstellen konnten, passierte etwas, dass nicht nur Matt aus dem Konzept brachte: Neben ihnen kam ein in dreckige Fetzen gekleideter, augenloser Mann durch einen Torweg auf die Straße. Er war von Asseln übersät, die an ihm fraßen, und er wankte wie ein Betrunkener mit ausgestreckten Armen auf Orphea zu.
Die Träger ließen die Sänfte fallen und liefen schreiend davon. Das Volk auf der Straße schrie ebenfalls.
Die Prinzessin rutschte aus der Sänfte und rollte unsanft über den Boden. Die Ekel erregende Gestalt wäre auf sie gefallen, hätte Grao den Untoten nicht mit ausgestrecktem Bein zur Seite gerammt. Ein Dutzend Asseln lösten sich von ihm und fielen herab.
Xij sprang vor und zerquetschte zwei der Biester unter ihren Stiefeln. Dies war, nach den Erfahrungen im Flächenräumer, die einzige Möglichkeit, sie zu töten. Schlug man sie entzwei, entstanden daraus zwei neue Seesternmonster. Sprengte man sie in kleine Stücke, waren es gleich Dutzende Ableger.
Matt und Grao taten es ihr gleich, rissen aber gleichzeitig ihre Säbel hervor und machten sich daran, den Untoten so zu zerlegen, dass keine Macht der Welt ihn noch hätte lenken können.
Schließlich – das Geschrei der Bürger hatte sie alarmiert – kamen ihnen fünf Gardisten zu Hilfe, die über die unheimliche Invasion im Bilde waren. Sie erwischten nicht alle Asseln; viele davon gruben sich blitzschnell ein und verschwanden außer Reichweite.
Matt reichte der Prinzessin die Hand und half ihr auf die Beine. Dabei sah er aus den Augenwinkeln, dass eine dicke Assel sich an Graos Unterschenkel klammerte.
Er riss Orphea hoch und holte mit der Klinge aus, um mit der Breitseite zuzuschlagen und den Daa’muren vor einem grässlichen Schicksal zu bewahren. Im gleichen Moment jedoch
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