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317 - Die letzten Stunden von Sodom

317 - Die letzten Stunden von Sodom

Titel: 317 - Die letzten Stunden von Sodom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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die Frau die Nacht nicht überleben. Matt lief es kalt den Rücken hinunter; andererseits war er froh, dass die Gefahr auch für ihn und seine Begleiter abgewendet war.
    Die Gäste kicherten und lachten immer noch. Orphea, die ihre Nase gerade in einen Weinkelch schob, schaute kurz auf, doch ihr Blick besagte nur eins: Sie war jenseits von Gut und Böse und zu keiner Reaktion mehr fähig. Ihr trunkenes Lächeln währte nicht lange: Schon legte sie den Kopf auf die Tafel und begann zu schnarchen. Der Rest des Abends war für sie gelaufen.
    Bevor Melchior dem König seine Aufwartung machte, ging er an Xij vorüber, beugte sich kurz zu ihr hinab und flüsterte ihr etwas ins Ohr.
    Matt verstand nichts, doch die Miene des Hauptmanns sagte ihm alles: Melchior wollte den Fehler der letzten Nacht nicht wiederholen und diesmal bewusst die Genüsse erleben, die ihm, wie er glaubte, entgangen waren.
    »Lass dir was einfallen«, sagte Xij zu Matt, als er sich zu ihr hinüber lehnte, um sich den Verdacht bestätigen zu lassen.
    »Wieso ich?«
    »Weil ich mich schlecht selbst rausreden kann«, entgegnete Xij. »Ich glaube nicht, dass sich Melchior von Monatsschmerzen oder Migräne abhalten lässt.«
    »Zumal ihm das mit den Monatsschmerzen sicher suspekt vorkäme«, ergänzte Matt. »Okay, ich lass mir was einfallen.«
    Ohnehin hatte Xij etwas gut bei ihm. Gestern hatten sie noch hungrig und mittellos vor den Toren Sodoms gestanden. Dass sie heute im Herrscherhaus tafelten, verdankten sie nur Xij, auf die der geile Blick eines Hauptmanns gefallen war. Eines Hauptmanns mit miesem Charakter, der hinter dem Rücken seines Bruders an dessen Ableben arbeitete. Ob er versuchen sollte, ihn bei Orlok anzuschwärzen? Aber würde er auch damit nicht die Zeitlinie verändern? Zu dumm, dass er nicht wusste, was die Geschichte in diesem Fall vorgab.
    Matt entschied, dass es an der Zeit war, den Hauptmann auf das Gift anzusprechen, das sie gegen die Asseln einsetzen wollten. Vielleicht konnte er dabei auch gleich Xijs Kopf aus der Schlinge ziehen. Er erhob sich und bedeutete seiner Begleiterin, mit ihm zu kommen.
    Gemeinsam schlenderten sie an jenes Ende der Tafel, an dem der König gerade auf Kosten seines Bruders einen Scherz machte. Matthew folgte dem bebenden Hauptmann, dessen lächelnde Miene zum bösen Spiel zur Grimasse erstarrt war, als dieser sich entfernte und den schönen Mundschenk ansteuerte, der über das Weinfass wachte. Als sie zu ihm aufschlossen, sprach Melchior mit Ismael. Matt räusperte sich.
    »Was ist?«, übersetzte Xij Melchiors Fauchen.
    »Sag ihm, dass wir in einer Höhle am Seeufer einen Teilerfolg über die Brut erringen konnten, und dann bitte ihn um einen Beutel des stärksten Giftpulvers, das man in Wasser lösen kann«, sagte Matt.
    Er lauschte fasziniert, wie Xij fließend auf Hebräisch berichtete, und war erleichtert, als sich Melchiors Miene auf ihre Bitte nach dem Gift hin aufhellte. Der Hauptmann stellte noch ein, zwei Fragen, dann nickte er. »Nun setzt euch wieder an die Tafel«, übersetzte Xij seine abschließenden Worte, »und esst und trinkt, solange ihr noch Zeit habt, denn die Orgie ist nicht mehr fern. Bei diesen Ausschweifungen darf der Truppenteil nicht zugegen sein.« Dass er Xij in seine Geste mit einschloss, passte zu seinem wehmütigen Blick, der besagte, dass er heute Nacht anderes zu tun hatte als eigentlich geplant. Vermutlich musste er einige Kontakte aktivieren, um das Gift zu besorgen. Xij hatte ihm wohl deutlich gemacht, dass es bei der Rettung der Stadt um jede Minute ging.
    Als sie gingen, wandte sich Melchior wieder an Ismael und begann mit ihm zu tuscheln.
    »Er kümmert sich noch heute Nacht darum«, berichtete Xij erleichtert, als sie zu ihren Plätzen zurückkehrten. »Er kennt einige Giftmischer und hofft, dass einer von ihnen vielleicht die nötigen Mengen vorrätig hat. Morgen früh kann er uns Näheres sagen.« Sie atmete tief durch. »Sieht so aus, als bliebe ich von seinen Avancen weiterhin verschont. Danke, Matt.«
    Sie verzichtete darauf, ihm einen Kuss auf die Wange zu hauchen, und mit Melchiors Blick im Rücken war das wohl auch besser so.
    ***
    »Wie sind deine Vorbereitungen gediehen?«, zischte Melchior Ismael zu, als sie allein waren.
    »Nach den erfolgreichen Versuchen im Verlies konnte ich die Konzentration des Giftes genau errechnen«, entgegnete dieser ebenso leise. »Ich habe den präparierten Wein hier auf dem Tablett und wollte ihn deinem Bruder gerade

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