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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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an
Verkaufsläden und von Firmenschildern in seiner breiten Front ließ
vermuten, daß es entweder behördlichen Zwecken diene oder einem reichen
Privatmann gehöre.
    Die benachbarten Häuser waren kleiner und schmaler. Die an ihnen
niederhängenden, bunt bemalten und mit Gold- und Silbercharakteren
beschriebenen Tafeln bewiesen, daß sie von Geschäftsleuten bewohnt
seien.
    Als der Methusalem beim Aussteigen einen Blick auf das zur Rechten
liegende Nachbarhaus warf, glänzten ihm auf breitem Brett zwei
Schriftzeichen entgegen, welche sogleich seine Aufmerksamkeit
fesselten. Es waren die Zeichen Hu-tsin, also der Name desjenigen, in
dessen Garten der gestohlene Gott vergraben werden sollte.
    Es konnte in der großen Stadt mehrere Personen desselben Namens
geben. Demnach fragte der Student den Hausmeister: „Wer wohnt hier
nebenan?“
    „Hu-tsin, der Juwelier“, lautete die Antwort.
    „Und wer ist dessen Nachbar?“
    „Wing-kan, auch ein Juwelier. Wir befinden uns hier auf der Edelsteinstraße.“
    Es konnte also keinen Zweifel geben: die beiden betreffenden
Juweliere waren Nachbarn des Tong-tschi, ein Zufall, welcher gar nicht
vorteilhafter hätte sein können.
    Der Methusalem verlautete nichts über den Grund seiner Fragen. Er
kannte die Zuverlässigkeit des Hausmeisters nicht. Wenn derselbe ein
Freund des Wing-kan war, so hätte er auf den Gedanken kommen können,
denselben zu warnen.
    Aus dem breiten Tor des Hauses traten mehrere Diener, welche die
Gäste nach einem großen Zimmer geleiteten, über dessen Tür das Wort
‚Versammlungssaal‘ geschrieben stand.
    Das Zimmer war chinesisch ausgestattet, mit schönen Bambusmöbeln und
einem großen Kerzenleuchter. Sogar ein langer Spiegel, welcher vom
Boden bis hinauf zur Decke reichte, war vorhanden.
    Hier machte ihnen der Hausmeister nochmals seine tiefen
Verneigungen, um sie an Stelle des Hausherrn willkommen zu heißen,
entschuldigte diesen letzteren wegen seiner Abwesenheit und gab dann
den Befehl, ihnen den Tee zu reichen.
    Dieser wurde auf goldenen Präsentiertellern gebracht und aus winzig
kleinen Tassen getrunken. Die Zubereitung war genau diejenige des
Kaffees bei den Orientalen: Der Tee wurde in die Tasse getan und mit
kochendem Wasser übergossen. Nachdem er einige Augenblicke gezogen
hatte, war er von einem Aroma und Wohlgeschmack, derlei der Europäer an
den exportierten Sorten gar nicht kennt.
    Dann bat der Haushofmeister die Gäste, ihm zu folgen. Er führte sie
durch mehrere Gemächer in ein großes Badezimmer, in welchem acht Wannen
aus verschiedenem Material standen. Zwei derselben waren aus Marmor und
durch Scheidewände von den andern getrennt. Der Majordomus erklärte,
daß diese beiden Becken nur für den Herrn und die Gebieterin des Hauses
bestimmt seien, jetzt aber von den beiden vornehmsten der Gäste benutzt
werden könnten.
    „Die vornehmsten?“ meinte der Gottfried, als ihm diese Erklärung
übersetzt worden war. „Dat ist der Methusalem, und dat bin nachher ich
selberst.“
    „Sie?“ fragte Turnerstick. „Ein Wichsier soll vornehmer sein als wir andern?“
    „Ja, denn wenn der Wichsier nicht von seinem Glanz ein bißchen an
die Stibbeln seines Herrn abjiebt, dann kann vom Glanz eben keine Rede
sein. Nicht wahr, Mijnheer?“
    „Neen. Wichsier blijft Wichsier!“
    „Wat? Sie wollen mir aus dat Stipendium jagen? Dat habe ich Ihnen
nicht zujetraut. Ich bin stets Ihr freundschaftlich jesinnter Jottfried
jewesen und jetzt retournieren Sie mir in dat jewöhnliche Publikum
zurück? Ich kündige hiermit meine bisherige Jewogenheit und frage nur,
wer denn nun der zweite Vornehme unter uns sein soll?“
    „Darüber kann es gar keinen Zweifel geben“, sagte Methusalem.
„Turnerstick ist Generalmajor; er steht also dem Rang nach über uns
allen und muß die feinste Wanne haben.“
    „Richtig! Dat hatte ich verjessen. Ich trete also zurück. Hätte ich
mir als Feldmarschall verkleidet, so jehörte die Wanne mich! Doch denke
ich, daß ich in einer andern auch nicht versaufen werde. Also
abjemacht; plätschern wir ein bißchen!“
    Der Chinese ist bekanntlich nicht wegen allzugroßer Reinlichkeit
berühmt. Die besseren Stände aber stehen allerdings in einem besseren
Ruf. Dennoch mußte der Besitzer eines Hauses, welches einen solchen
Baderaum aufwies, nicht nur ein reicher, sondern ein Mann sein, welcher
überhaupt es mit dem Komfort des Lebens hielt. In dem Kasten, aus dem
er errettet worden war, hatte Tong-tschi freilich nicht

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