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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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danach
ausgesehen.
    Nach dem Bad wurden die Gäste in das Speisezimmer geleitet, wo ihrer
eine Mahlzeit harrte, welche aus Fisch, Geflügel, Fleisch, Gemüse, dem
allgegenwärtigen Reis und endlich einer Schüssel bestand, die ein
dünnes Mus enthielt, welches einen der Mandelmilch ähnlichen
Wohlgeschmack hatte. Auf seiner Erkundigung erfuhr der Methusalem, daß
der Brei aus feingestoßenen Aprikosenkernen bereitet worden sei. Diese
Speise verdiente es, auch in Deutschland nachgeahmt zu werden.
    Dann erhielten die Reisenden die für sie bestimmten Zimmer, jeder
ein besonderes, angewiesen. Es war aus allem zu ersehen, daß der
Tong-tschi seinem Hausmeister den Methusalem als denjenigen bezeichnet
hatte, dem die größte Aufmerksamkeit zu erweisen sei. Er enthielt das
am feinsten eingerichtete Gemach.
    Nun konnten sie sich ausruhen und nach Gutdünken tun, was sie
wollten. Nur falls sie die Absicht haben sollten, sich die Stadt zu
besehen, bat der Hausmeister, daß sie die Palankins benutzen sollten,
da sie sonst die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf sich ziehen würden
und sehr leicht belästigt, ja sogar beleidigt werden könnten.
    „Aber zu einem Ausgang nur in die nächste Nachbarschaft ist die Sänfte doch nicht nötig?“ fragte Methusalem.
    „Darf der ganz Kleine fragen, wohin Sie wollen?“
    Der ‚ganz Kleine‘ ist der Ausdruck, mit welchem der Chinese sich
selbst bezeichnet, wenn er mit einem Höherstehenden spricht. Der
Hausmeister meinte also sich.
    „Zum Nachbar, dessen Juwelenladen ich mir ansehen will.“
    „Zu Hu-tsin?“
    „Ja.“
    „Der wohnt so nahe, daß Sie der Sänfte wohl nicht bedürfen. Er ist
ein berühmter Juwelier und ein ehrlicher Mann. Gehen sie nur nicht zu
seinem Nachbar Wing-kan!“
    „Warum zu diesem nicht?“
    „Er ist ein Betrüger, obgleich das Gegenteil auf seinem Schild steht. Beide sind einander sehr feindlich gesinnt.“
    „So werde ich dem letzteren nichts abkaufen. Gottfried, brenn die Pfeife an!“
    „Augenblicklich!“ antwortete der Genannte, welcher sich im Zimmer
des Blauroten befand. „Wir müssen bei dem Mann mit die nötige Kultur
und Schicklichkeit erscheinen, wozu doch nichts so notwendig ist, wie
Ihre Hukah und meine Fagottoboe.“
    Auch für Tabak hatte man gesorgt. Es stand eine ganze Vase voll auf
dem Tisch. Von dem Inhalt derselben wurde die Wasserpfeife gestopft,
und nachdem dieselbe in Brand gesteckt worden war, brachen die beiden
auf, von dem Hausmeister bis an das Tor begleitet.
    Sie legten die wenigen Schritte in der schon oft beschriebenen Weise
und gravitätischen Haltung zurück. Trotz der Kürze des Weges sahen sie
ein, daß der Hausmeister sehr recht gehabt hatte, als er ihnen für
etwaige Ausflüge den Gebrauch der Sänften empfahl. Sie waren kaum aus
dem Haus getreten, so blieben die Straßenpassanten stehen, um die
beiden ihnen so sonderbar vorkommenden Menschen in Augenschein zu
nehmen.
    Methusalem ging nicht hart am Haus hin. Er hielt sich auf der Mitte
der Straße, um vielleicht einen Blick in den zweiten Laden werfen zu
können. Das gelang ihm auch.
    An den beiden Häusern hingen mehrere Firmenschilder herab, je eins
mit den Namen der Besitzer, also Hu-tsin und Wing-kan; auf den andern
waren die Artikel verzeichnet, welche man bei ihnen kaufen konnte.
Wing-kan hatte noch extra auf ein Brett schreiben lassen: „Hier wird
man ehrlich bedient“, eine Aufschrift, welche im Gegenteil zu seiner
Absicht das Mißtrauen der Leser erregen mußte, da kein ehrlicher
Geschäftsmann es für notwendig halten wird, seine Kunden in so
besonderer Weise auf eine Eigenschaft aufmerksam zu machen, welche man
ohnedies bei ihm vorauszusetzen hat.
    Er saß unweit seiner offenen Ladentür. Methusalem sah ihn und
erkannte gleich den Mann, welchen er belauscht hatte. Es konnte nun gar
kein Zweifel mehr vorhanden sein.
    Er trat in den Laden Hu-tsins, welcher sich allein in demselben
befand. Der Juwelier war ein Mann in den mittleren Jahren,
wohlgestaltet und sehr sorgfältig gekleidet. Er trug einen langen,
dünnen Schnurrbart, dessen Spitzen ihm zu beiden Seiten fast bis auf
die Brust reichten. Als er die beiden Männer sah, erhob er sich von
seinem Platz. Indem er sie anblickte, war er ein sprechendes Bild
unendlichen Erstaunens. Zwei so fremdartige Gestalten waren noch nie
bei ihm gewesen.
    „Tsching!“ grüßte der Methusalem kurz, indem er eine Rauchwolke von sich blies.
    „Tsching!“ rief auch Gottfried, und zwar in einem Ton, als ob er der

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