32 - Der Blaurote Methusalem
Demut eine Meldung machen zu dürfen.“
„Der? Er mag heimgehen; ich habe nichts mit ihm zu schaffen.“
„Er sagte, daß es sehr notwendig sei, daß es unsrer Exzellenz den größten Nutzen bringen werde.“
Man verspreche einem Chinesen einen Vorteil, so wird er sofort bereit sein, die Hand nach demselben auszustrecken! Der Tong-tschi machte keine Ausnahme.
„Laß ihn herein!“ befahl er. „Aber sage ihm vorher, daß ich ihm die Finger und Zehen zusammenpressen lasse, wenn er mich ohne Grund belästigt hat!“
Der Genannte trat ein, senkte den Kopf fast bis zum Boden herab und blieb in dieser Stellung an der Tür stehen.
„Was willst du so spät?“ fuhr der Beamte ihn an.
„Allmächtiger Kuan-fu“, antwortete der Gefragte im Ton knechtischer Furchtsamkeit, „ich muß in die Strahlen Ihrer Sonne eilen, weil kein Sing-kuan in unsrer Gasse residiert.“
„Sing-kuan? So ist es eine Kriminalangelegenheit?“
„Ja.“
„Was habe denn ich mit solchen Sachen zu tun! Ich sehe, daß ich dich einsperren lassen muß.“
„Ihre leuchtende Gnade wird mir die Freiheit lassen, wenn sie erfährt, daß es sich um die gestohlenen Götter handelt.“
Der Mandarin hatte sich auf einen Stuhl gesetzt, da es mit seiner Würde nicht zu vereinigen gewesen wäre, wenn er stehend mit diesem Mann gesprochen hätte. Jetzt aber sprang er auf und rief: „Um diese Götter? Richte dich empor, und sprich frei und schnell zu mir. Was weißt du über diese hochwichtige Angelegenheit?“
„Ich glaube den Mann zu kennen, bei dem die Geraubten sich befinden.“
„Du? Wer ist es?“
„Hu-tsin, mein Nachbar.“
Die Brauen des Tong-tschi zogen sich finster und drohend zusammen.
„Der? Dein Feind?“ fragte er. „Dieser Mann ist ehrlich und kein Dieb. Von ihm könntest du lernen, zu sein, wie man sein muß. Er stiehlt nicht; am allerwenigsten aber raubt er Götter! Weißt du, was du tust, wenn du ihn einer solchen Tat beschuldigst?“
„Ich weiß es; aber ich habe ihn noch nicht beschuldigt, sondern nur eine Vermutung ausgesprochen.“
„Nun, warum vermutest du, daß er der Täter ist? Aber hüte dich, ein Wort mehr zu sagen, als du verantworten kannst! Du bist nicht der Mann, mit dem ich Nachsicht haben würde!“
Der Juwelier nahm diese harten Worte demütig hin und sagte: „Ich will niemand anklagen und niemand beschuldigen; aber ich halte es für meine Pflicht, Ihrer Erleuchtung zu sagen, was ich gesehen habe.“
„Nun, was?“
„Ich hatte heut am Tag viel gearbeitet, darum ging ich, als der Abend anbrach, in den Garten, um mich zu erholen und frische Luft zu atmen. Ich stand an der Mauer. Es war schon dunkel; dennoch sah ich zwei Männer kommen, welche einen Palankin trugen und an dem Garten meines Nachbars hielten. Sie gaben ein Zeichen, und er antwortete ihnen, denn er hatte auf sie gewartet. Ich sah, daß sie zwei schwere Gegenstände aus der Sänfte nahmen und über die Mauer hoben. Dann stiegen sie nach und gruben mit ihm ein Loch, in welches sie die Gegenstände vergruben. Ich schlich mich hin, denn das Treiben dieser Leute kam mir verdächtig vor. Als ich über die Mauer blickte, erkannte ich, daß es Figuren seien. Sie legten dieselben in das Loch und machten es wieder zu. Die beiden Männer sprangen über den Zaun: Hu-tsin aber blieb noch in seinem Garten. Das ist's, was ich gesehen habe.“
„Himmel? Ist es möglich!“ rief der Mandarin. „Eine Sänfte mit zwei Männern, zwei Figuren, gerade um diese Zeit; das stimmt ja alles sehr genau! Sollte Hu-tsin doch ein Verbrecher sein?“
„Ich kann das nicht beantworten. Ich habe nur erzählt, was ich gesehen habe.“
„Was tatest du dann?“
„Ich überlegte. Hu-tsin mußte etwas Verbotenes vorhaben, weil alles so heimlich geschah. Sollte ich ihn anzeigen, den ehrlichen Hu-tsin, und mich in Gefahr bringen? Ich wußte keinen Rat und begab mich darum zu dem anderen Nachbar, dem ich alles erzählte. Da hörten wir ausrufen, daß zwei Götter gestohlen worden seien, und nun wußte ich auf einmal, wer die beiden Figuren gewesen waren. Ich sah ein, daß ich reden müsse. Auch der Nachbar trieb mich zu Ihrer Mächtigkeit zu eilen, um derselben diese Mitteilung zu machen.“
Der Mandarin schritt erregt auf und ab und rief dabei: „Hu-tsin, Hu-tsin! Hätte ich mich in ihm so sehr geirrt! Mensch, du hast mir doch die Wahrheit gesagt?“
„Ihre Herrlichkeit mag mich zu Tode prügeln lassen, wenn ein einziges Wort erfunden ist.“
„Das würde ich
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