Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Hand davong lasseng! Ich kann tragung, was ich will, falsche Perückong und sogar falsche Augeng, ganz nach meinem Beliebang. Da, schau her, junger Frosch! Was wirst du dazu saging? Willst du mir auch das verbieteng?“
    Er hatte bekanntlich ein falsches Auge. Indem er den Daumen an den Augenwinkel setzte, bohrte er es aus der Höhle, nahm es zwischen zwei Finger und zeigte es vor, indem er sein Gesicht in höhnisch grinsende Falten legte.
    Die Leute fuhren zurück. Die beiden Polizisten, welche ihn gepackt hielten, ließen ihn los und traten erschrocken von ihm weg.
    „Nun?“ fragte er lachend, „wer kann mir das nachmacheng? Wer vong euch kann so wie ich seine Auging herausnehmung?“ Keiner von ihnen hatte jemals so etwas gesehen. Sie alle standen starr und wortlos da.
    Der Oberpriester bekam zuerst die Sprache wieder; er schrie: „T'ien-ti-jin – O Himmel, Erde und Menschen. Miao-ya, miao-ya – Wunder über Wunder! Er kann seine Augen herausnehmen!“
    „Miao-ya mu, miao-ya mu – Wunderbare Augen, wunderbare Augen!“ fielen die Erschrockenen ringsum ein.
    „Jip-mo t'a yuet, jip-mo t'a yuet – Was hat er gesagt, was hat er gesagt?“ fragte der junge Mandarin, welcher ebenso wie die andern erschrocken war, Liang-ssi.
    Dieser letztere war vier Jahre lang bei Onkel Daniel gewesen und hatte von ihm viel gelernt. Er wußte auch, daß in Europa die Kunst so weit vorgeschritten ist, falsche Augen, welche den echten zum Verwechseln ähnlich sind, hervorzubringen. Um den allgemeinen Schreck zu benutzen, antwortete er: „Er will beweisen, daß er wirklich ein heiliger und wundertätiger Lama ist. So wie er sich sein eigenes Auge aus dem Gesicht genommen hat, will er auch den andern Anwesenden die Augen und Nasen entfernen. Er ist sogar erbötig, ihnen die Arme und Beine aus dem Leib zu ziehen und dann wieder anzusetzen. Wer will es versuchen, sich von seiner wunderbaren Macht zu überzeugen?“
    „Ngo put, ngo put – Ich nicht, ich nicht“, rief es rundum, indem die Bonzen und Mandarine sich noch weiter von Turnerstick zurückzogen.
    „Niemand? Es braucht sich aber keiner zu fürchten, denn er setzt jedes Glied, welches er ausreißt, wieder an seine Stelle.“ Und deutsch fügte er hinzu: „Stecken Sie das Auge wieder hinein und tun Sie dann so, als ob Sie dort dem Oberpriester das Bein herausreißen wollten.“
    Turnerstick folgte dieser Aufforderung.
    „J, miao-ya – Seltsam, wunderbar!“ riefen die Leute, als sie das Auge wieder an seiner Stelle erblickten und auch sahen, daß es sich bewegte.
    Als sich aber nun der Kapitän dem Oberpriester näherte, sich vor demselben niederbeugte und nach seinem Fuß griff, retirierte derselbe erschrocken und fragte: „Was will er? Was hat er vor?“
    „Er will Ihrer Heiligkeit beweisen, daß er alles kann, was ich sagte. Er will Ihnen die Beine herausziehen.“
    Da drängte der Bedrohte sich in die fernste Ecke hinter die Götterbilder und schrie: „Vu, vu! Ngo put yuk ngo; put kam; ngo kiao – Nein, nein! Ich will das nicht; ich mag das nicht; ich schrei'!“
    Als Turnerstick ihm dennoch bis in den Winkel nachging, rannte der Priester nach der gegenüberliegenden Ecke und brüllte, als ob es ihm ans Leben gehe.
    Selbst der Tong-tschi wußte nicht, was er zu dem Wunder sagen solle. Er wußte es sich nicht zu erklären, war aber überzeugt, daß die Sache ganz natürlich zugehe. Der Schreck, welcher alle ergriffen hatte, war ihm sehr willkommen. Er bat Liang-ssi: „Sage ihm, daß wir sein Wunder nicht versuchen wollen. Wir glauben es, denn wir haben es gesehen; aber es ist doch gefährlich, es an andern probieren zu lassen.“
    Liang-ssi winkte den Kapitän wieder zu sich und erklärte dem Mandarin: „Ein Glück für den Ta, daß er geflohen ist! Der Lama ist von diesen Herren unehrerbietig behandelt worden. Zur Strafe dafür hätte der dem Ta die Beine falsch und verkehrt wieder eingesetzt, das rechte links, das linke rechts und beide mit den Zehen nach hinten.“
    „Vu, vu!“ schrie der Ta aus seiner Ecke. „Ngo put yuk, ngo put yuk – Nein, nein! Ich will nicht, ich mag nicht!“
    Der Tong-tschi wandte sich mit sehr ernster Miene an den Gefängnisbeamten: „Mein kleiner Verwandter hat da jedenfalls zu schnell gehandelt. Sind Sie schon einmal in Tibet gewesen?“
    „Nein“, antwortete der Gefragte ein wenig kleinlaut.
    „Oder haben Sie schon einmal einen Lama gesehen?“
    „Nein.“
    „Oder kennen Sie die Gesetze, nach denen die Lamas

Weitere Kostenlose Bücher