32 - Der Blaurote Methusalem
gebracht wurden, wo der Tong-tschi sie bereits erwartete.
VIERZEHNTES KAPITEL
Hinter Schloß und Riegel
Der Tong-tschi sorgte dafür, daß unsre Helden gute Wohnung erhielten, welche eigentlich für höhere Staatsgefangene bestimmt war, und wies dann den Pang-tschok-kuan an, ihnen eine gute Mahlzeit und alles Erlaubte, was sie verlangen würden, zu verabreichen. Daran fügte er die Bemerkung, daß er zwar heute verhindert sei, morgen aber mit hohen Mandarinen kommen werde, um den Stand und das Herkommen der Gefangenen festzustellen. Bis dahin sollten dieselben gut bewacht werden.
„Ich werde sie nicht aus den Augen lassen“, versicherte der Beamte. „Es soll mir nicht so gehen, wie dem T'eu dieses Gefängnisses, welcher nun heute selbst Gefangener ist, weil er gestern die drei Götterdiebe entwischen ließ.“
„Er hat seine Strafe verdient“, sagte der Tong-tschi streng. „Er ist nicht aufmerksam genug gewesen.“
„Aber zu mir sagte er, daß ihn keine Schuld treffe. Er weiß nicht, wie es möglich gewesen ist, daß sie entkommen konnten. Ich habe mich heute erkundigt und weiß nun, auf welche Weise sie ihre Freiheit erlangt haben.“
„Nun, wie?“
„Gestern spät am Abend ist einer hier gewesen, welcher von den Wachen eingelassen wurde, weil er das hohe Zeichen besaß –“
„Der muß also ein vornehmer Kuan-fu gewesen sein“, fiel der Tong-tschi ein.
„Nein, ein Betrüger ist er gewesen, denn er hat die Gefangenen befreit, was ein Kuan-fu nicht tun würde.“
„Dieser Mann? Unmöglich! Wer das hohe Zeichen besitzt, der ist ein hoher Mandarin.“
„Eigentlich, ja. Aber es ist auch möglich, daß das Zeichen ein falsches, ein nachgemachtes war. Man kann das des Abends wohl nicht genau erkennen. Der T'eu hat diesen Mann nicht zu beaufsichtigen gewagt, da er ihn für einen hohen Beamten hielt. Heute nun erfuhr ich von den Wachen, daß derselbe mit den drei Gefangenen durch zwei Mauerpforten hinaus ist.“
„So trifft den T'eu doch immer die Schuld. Wenn er auch den Kuan-fu nicht beaufsichtigen durfte, so mußte er doch die Gefangenen bewachen. Wenn es so ist, wie mein junger Kollege sagt, so war dieser Mann allerdings ein Betrüger, dem wir nachforschen werden, und wehe ihm, wenn wir ihn entdecken!“
„Mir würde das nicht geschehen können. Nun ich die Aufsicht über dieses Gefängnis führe, werde ich mir, wenn ein solcher Fall eintritt, das Zeichen sehr genau betrachten. Man muß sehr vorsichtig sein, zumal wenn man solche Gefangene hat wie diejenigen, welche ich jetzt herbegleitet habe.“
Der Tong-tschi gab ihm sehr ernsthaft den Rat, diesen Vorsatz ja auszuführen, und entfernte sich dann, um nach Hause zu gehen, wo er von dem Methusalem mit Ungeduld erwartet wurde.
Dieser hatte indessen mit Gottfried und Richard sehr gut zu Mittag gespeist, aber mit wenig Appetit, da er sich in großer Sorge um die Freunde befand. Der Tong-tschi gab sich Mühe, ihn zu beruhigen, doch vergebens.
„Morgen werden sie verhört“, sagte der Mandarin. „Bis dahin ist eine lange Zeit, und es wird uns wohl ein guter Gedanke kommen.“
„Wenn wir auf die Gedanken warten wollen, so sind meine Gefährten verloren. Wir müssen zwar denken, vor allen Dingen aber auch handeln. Wer wird das Verhör fuhren?“
„Ich und der Fu-yuen.“
„Der höchste Beamte der Stadt, welcher zugleich der Stellvertreter des Generalgouverneurs der ganzen Provinz ist? Da sind meine Freunde verloren. Wird er es glauben, daß sie Lamas sind?“
„Nein; er ist in Lhasa und auch im Land der Mongolen gewesen. Auch hat er so viel mit Ausländern verkehrt, daß er sofort erkennen wird, wen er vor sich hat.“
„So dürfen wir es unmöglich bis zu diesem Verhör kommen lassen. Meine Gefährten müssen schon morgen früh frei sein. Ich muß sie schon heut nacht aus dem Gefängnis holen!“
Der Mandarin sah nachdenklich vor sich nieder, dann sagte er: „Das beste, was ich Ihnen raten kann, ist, daß Sie die Sache ruhig abwarten. Man darf ihnen ja nichts tun. Man muß sie dem Vertreter ihres Landes ausliefern.“
„Aber wie man sie dabei behandeln wird! Und ohne Strafe kommen sie nicht davon.“
„Die Strafe wird keine schwere sein; aber mit ihrer Reise ist es dann aus. Und wer sagt mir, daß ich trotz aller Vorsicht nicht doch auch selbst in die Angelegenheit verwickelt werde!“
„Das haben Sie freilich zu befürchten, denn ich muß leider offen gestehen, daß diese Leute nicht allzu vorsichtig sind, wie sie
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