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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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niederzulassen. Und sind sie Fu-len, so ist ihre Schuld nur gering, da sie nicht wissen konnten, daß das, was sie taten, bei uns verboten ist und sehr streng bestraft wird. Ich werde diesen Fall selbst und sehr genau untersuchen und vertraue Ihnen bis dahin diese Leute an. Geben Sie ihnen eine gute Wohnung im Gefängnis, und sorgen Sie für alle ihre Bedürfnisse! Wir müssen uns allerdings, bis wir ein gerechtes Urteil fällen können, ihrer Person versichern, aber wir müssen uns hüten, sie jetzt schon als Schuldige und Sünder zu behandeln. Lassen Sie Sänften für sie kommen, auch für diesen jungen Mann, welcher ihnen Dolmetscher macht und den wir nötig haben, weil wir ihre Sprache nicht verstehen. Aber das muß heimlich geschehen, damit sie nicht von der draußen stehenden Menge belästigt werden. Ich selbst werde voraneilen, um sie im Huok-tschu-fang zu erwarten und mich zu überzeugen, daß sie uns sicher sind, ohne sich über uns beklagen zu müssen.“
    Er entfernte sich, wobei sich alle wieder tief vor ihm verneigten. Die Tür wurde hinter ihm schnell wieder verschlossen.
    Turnerstick stand noch frei da. Keiner der Polizisten war so kühn gewesen, die Hand wieder an ihn zu legen. Der Oberpriester hielt noch immer vorsichtig in seiner Ecke und sagte jetzt, den Blick ängstlich auf den Kapitän gerichtet: „Haben Sie es gehört, was geschehen soll? Fort sollen sie. Führt sie in den Hof und schickt nach Palankins. Sie können durch die Hintergasse fort, wo niemand ihnen Beachtung schenkt. Ich aber werde den Tempel verschlossen halten müssen, um abzuwarten, was diese Leute sind. Sind sie Fu-len, so dürfen unsere Götter erst dann wieder auf ihre Sitze, wenn dieselben gereinigt und wieder geweiht worden sind. Führt sie hinaus! Fort mit ihnen!“
    Es war ihm nur darum zu tun, Turnerstick nicht mehr zu sehen. Die beiden Beine ausgerissen und verkehrt wieder eingesetzt zu bekommen, das schien ihm das denkbar größte Unglück zu sein.
    Jetzt trat der junge Mandarin zu den Gefangenen, machte ihnen eine Reverenz und sagte: „Die hohen Herren haben gehört, was der mächtige Tong-tschi befohlen hat. Wollen Sie die Güte haben, mir zu folgen?“
    „Was meint er?“ fragte der Kapitän.
    „Er will uns fortführen.“
    „Wohin?“
    „In das Gefängnis.“
    „Fällt mir nicht ein! Wenn er sich selbst einschließen will, so habe ich nichts dagegen, mich aber lasse ich nicht hinter Schloß und Riegel sperren. Nicht wahr, Mijnheer?“
    „Neen, ik ook niet. Ich heb Honger; ik wil eten!“
    „Das sollen Sie ja“, drängte Liang-ssi. „Sie werden es im Gefängnis nicht schlecht haben. Wir bekommen gute Zimmer und auch Essen.“
    „Aber was für welches!“
    „Gutes! Der Tong-tschi hat befohlen, daß man gut für uns sorgen soll. Widerstand würde ganz vergebens sein. Nur wenn wir uns fügen, können wir gerettet werden. Sie können sich darauf verlassen, daß Herr Degenfeld uns nicht steckenlassen wird.“
    „Ja, das ist freilich sicher. Wollen wir mitgehen, Mijnheer?“
    „Ja“, antwortete der Dicke, welcher überhaupt nur stets das wollte, was seine Freunde wollten. „Wij willen met gaan.“
    „Nun gut! Aber vorher will ich diesem Oberpriester noch eine Angst einjagen. Er sieht mich an wie das Karnickel den Eisbär. Der Mann muß einen großartigen Respekt vor mir haben. Was heißt in diesem unverständlichen Dialekt: ‚Ich verlange Ihre Augen‘?“
    „Ngo yao ling-yen“, antwortete Liang-ssi leise.
    „Ngo yao ling-yen. Das kann ich mir für diesen Augenblick merken.“
    Er schritt langsam nach der Ecke, aber so, daß der Oberbonze weder rechts noch links ausweichen konnte, nahm sein Auge heraus, brachte es wieder in die Höhle zurück und sagte dann, die beiden Hände nach dem Gesicht des Angsterfüllten ausstreckend: „Ngo yao ling-yen!“
    „Pen yen! T'ien-na, Tieu schin – Meine Augen! O Himmel, zu Hilfe!“ schrie der Bedrängte auf.
    Er stieß, da es keinen anderen Ausweg gab, den Kapitän zur Seite und flüchtete sich hinter die Bonzen.
    „Schafft ihn fort, schnell, schnell!“ gebot er dort. „Wir kommen sonst alle um unsre Augen und um unsre Glieder! Er nimmt uns die Augen und setzt sie verkehrt wieder ein!“
    Der Gefängnisbeamte bat den Kapitän in höflichster Weise, ihm nun zu folgen und sich nicht weiter zu bemühen, ein Wunsch, dem nun auch Folge geleistet wurde. Einige Polizisten wurden nach Sänften geschickt, in welchen die Gefangenen unter Bedeckung nach dem Gefängnis

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