Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
wütend gewesen, daß er dabei sogar die chinesischen Schuhe verloren hatte.
    Was den Mijnheer betrifft, so war er keineswegs ein Feigling. Er hatte sich vorhin nicht aus wirklicher Mutlosigkeit hinter Turnerstick versteckt, sondern dieser schnelle Rückzug war aus reiner Überraschung geschehen und infolge der außerordentlichen Seltsamkeit der Lage, in welcher er sich befand. Er verstand kein Wort chinesisch und fühlte sich in dieser Beziehung auf Turnerstick angewiesen, welcher ja stets behauptet hatte, dieser Sprache mächtig zu sein. Aber jetzt, als er von dem Mandarin zurückgeschleudert wurde und zugleich sah, daß die Bonzen sich feindselig auf Turnerstick warfen, sagte er sich, daß die Rettung nicht mehr durch List zu erzielen, sondern nur durch Gewalt zu erzwingen sei. Er warf den Regenschirm, der ihm nur hinderlich sein konnte, weg und stieß die beiden geballten Fäuste dem Oberpriester, welcher ihm am nächsten stand, mit solcher Gewalt an die Magengegend, daß der Getroffene an eine der Bahren flog und, den darauf befindlichen Gott herunterreißend, über dieselbe hinwegstürzte. Dann fuhr er mitten unter die Mandarine und Priester hinein und schlug in solcher Weise um sich, daß sie nach allen Seiten auseinanderstürzten.
    „Tapper, maar gedurig tapper, Mijnheer Turnerstick!“ rief er dabei dem Kapitän zu. „Wij willen dezen Heidenhoofden onze vuisten an de neuzen wrijven – Tapfer, nur immerfort tapfer, Herr Turnerstick! Wir wollen diesen Heidenköpfen unsre Fäuste unter die Nasen reiben!“
    Liang-ssi war aufs heftigste erschrocken, als er die holländische Frage des Mandarins und darauf die unvorsichtige Antwort des Mijnheer hörte. Er mußte nun das gefährliche Spiel verlorengeben und vor allen Dingen für seine eigene Sicherheit sorgen. Dies erkennend, eilte er dem Eingang der großen Halle zu, um sich da hinaus nach dem Hof und von da aus weiter zu retten. Er berücksichtigte dabei nicht, daß man ihn verfolgen und seine noch hinter dem Gitter stehenden Gefährten entdecken werde.
    Aber mit derselben Schnelligkeit hatte der junge Mandarin seinen Befehl, niemand fortzulassen, ausgerufen. Infolgedessen sprangen die Polizisten Liang-ssi entgegen, um ihn festzuhalten. Er konnte sich nicht einer großen Körperstärke rühmen, wehrte sich aber doch aus Leibeskräften, so daß es den acht Männern nicht allzu leicht wurde, ihn zu überwältigen. Dann hielten drei ihn fest, während die andern fünf zum Mijnheer sprangen, welcher noch immer mit einer wahren Berserkerwut um sich schlug und stampfte. Sie überfielen ihn von hinten und rissen ihn nieder.
    „Brand, brand!“ schrie er auf. „Zij hebben mij! Help, help, Mijnheer Turnerstick – Feuer, Feuer! Sie haben mich! Zu Hilfe! Zu Hilfe, Herr Turnerstick!“
    „Unmöglich, denn sie haben mich auch“, antwortete der Kapitän, vor Anstrengung noch atemlos. „Das hat man davon, wenn man Götze spielt!“
    Der Regenschirm und die schottische Mütze des Dicken, der Fächer, die Schuhe, die Perücke mit dem Zopf und die Kopfbedeckung Turnersticks lagen auf dem Boden. Ein Glück war es, daß dem Kapitän nicht der Gedanke gekommen war, sich seiner Waffen zu bedienen!
    Der Methusalem hatte Zeuge dieser aufregenden Szene sein müssen, ohne den Bedrängten zu Hilfe eilen zu können. Als sie jetzt überwältigt waren, ergriff der Tong-tschi ihn bei der Hand und raunte ihm hastig zu: „Jetzt fort, schnell fort, denn nun werden sie auch hier hereinkommen!“
    „Aber wohin?“
    „Ich weiß es, denn ich kenne diesen Tempel. Zunächst hinaus in den Hof.“
    Sie eilten fort, gefolgt von Gottfried und Richard. Im Hof war niemand zu sehen, auch der Bonze nicht, welcher sie vorhin begleitet hatte. Zwischen den Wohnungszellen, welche ihnen vorhin gezeigt worden waren, führte ein Gang in einen kleinen Gemüsegarten, welcher an denjenigen eines Häuschens stieß, in dem ein Vertreter des Tempels Räucherstäbchen verkaufte. Die beiden kleinen Gärten waren durch eine Pforte verbunden, und das Häuschen gehörte zu einer engen Hintergasse, welche mit derjenigen Straße, in welcher der Tempel lag, parallel führte. In diese Gasse gelangten die vier, indem sie durch die Pforte und den Laden gingen.
    Eine unmittelbare Gefahr drohte ihnen nun nicht mehr. Aber nun galt es, ohne Aufsehen zu erregen zu den Sänften zu gelangen. Der Tong-tschi führte seine Begleiter durch eine Quergasse, durch welche sie auf die Tempelstraße gelangten. Von der Ecke aus sahen sie

Weitere Kostenlose Bücher