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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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leben, und die Lehren, nach denen sie handeln?“
    „Ich habe die betreffenden Bücher noch nicht gelesen. Ich brauchte das auch nicht zu kennen, da ich diese Leute nicht für Lamas, sondern für Fu-len hielt.“
    „So! Und dennoch haben Sie sich falsch verhalten. Ich muß Ihnen eine Rüge erteilen, werde aber von einer wirklichen Strafe absehen, da Sie noch jung sind und in amtlichem Eifer gehandelt haben. Es sind zwei Fälle möglich. Entweder sind diese Herren wirklich heilige Lamas, welche man wie Götter zu verehren hat. In diesem Falle wußten Sie nicht, wie Sie sich gegen sie verhalten sollten, und mußten sich also den Rat eines höheren Kuan-fu erbitten, welcher in dieser Beziehung erfahrener war als Sie. Das haben Sie aber unterlassen. Ist es denn keinem der anwesenden höheren Kuan-fu eingefallen, Sie zu warnen?“
    „Nein.“
    „So kann ich Ihnen leichter verzeihen, weil die andern die Schuld auch mit zu tragen haben.“
    „Aber Ihre berühmte und erleuchtete Weisheit mag gnädigst bedenken, daß ich diese fremden Wesen für Fu-len halten mußte, da der eine von ihnen die Sprache der Fu-len redete!“
    „Das ist sehr leicht zu erklären. Während er vertieft auf seinem Platz saß und sich in das All versenkte, ist sein Geist durch fremde Länder geeilt und hat da die Sprache der Fu-len vernommen. In diesem Augenblick haben Sie seine Seele gezwungen, zurückzukehren und sie hat diese Sprache noch in den Ohren und im Mund gehabt. Aber auch angenommen, daß diese verehrungswürdigen Herren Fu-len seien, so will ich meinen jungen Bruder fragen, ob Sie das Recht besitzen, sie ins Verhör zu nehmen?“
    Der Gefragte blickte verlegen vor sich nieder und antwortete nicht.
    „Sie sind zwar noch jung, aber als Kian-fu und Moa-sse müssen Sie die Grenzen der verschiedenen Amtsgewalten genau kennen. Jeder Fu-len ist für uns ein Y-jin, ein fremder Mann. Hoffentlich wissen Sie, in wessen Amtsbereich die Fremden gehören?“
    „In denjenigen des Tong-tschi.“
    „Kennen Sie diesen Beamten?“
    „Ja, Ihre Hoheit ist es.“
    „Warum haben Sie da nicht sofort nach mir gesandt? Sie sind Pang-tschok-kuan, eine Würde, welche für Ihr Alter so groß ist, daß ich Ihnen ungewöhnliche Kenntnisse zutrauen muß. Darum wundert es mich sehr, daß Sie nicht gewußt haben, daß Sie vor allen Dingen einen Boten zu mir senden mußten. Es gibt zwar auch Unterbeamte, denen ich einen kleinen Teil meiner Gewalt anvertraut habe, doch kommen diese hier nicht in Betracht, da es sich um einen so außerordentlichen Fall handelte.“
    Sein Ton war sehr streng geworden. Es herrschte die Stille größter Verlegenheit in dem Raum. Der Pang-tschok-kuan stand da wie niedergeschmettert, und auch die andern Mandarine wagten kaum, ihre Augen zu erheben. Mochten sie dem Tong-tschi recht geben oder nicht, sie hatten keine Erlaubnis, ihm zu widersprechen. Er fuhr in dem bisherigen strengen Ton fort: „Was beabsichtigten Sie denn eigentlich in diesem schwierigen Fall zu tun?“
    Das gab dem jungen Beamten Gelegenheit, sich einigermaßen herauszubeißen. Er antwortete: „Eben als Ihre Hoheit kam, war ich entschlossen, einen Boten zu senden, um Ihre große Erfahrenheit zu bitten, sich hierherzubemühen. Vorher aber war ich jedenfalls gezwungen, die Fremden zu verhören, um die erleuchteten Fragen Ihrer Überlegenheit beantworten zu können.“
    „Aber Sie haben sich an ihnen vergriffen; das durfte nicht geschehen. Sie wissen doch, daß wir keinen Fremden bestrafen dürfen. Wenn ein Ausländer gegen unsere Gesetze handelt, so haben wir ihn seinem Gesandten zur Bestrafung auszuliefern. Selbst wenn diese Leute nur Fu-len sind, so werden sie sich bei dem Vertreter ihres Herrschers über Sie beschweren, und wir sind dann gezwungen, alle, welche eine Klage trifft, auf das strengste zu bestrafen. Wie leicht können Sie dann nicht nur Ihren Rang als Beamter, sondern sogar die Würde Ihres literarischen Grades verlieren! Aber ich will aus besonderer Rücksicht gegen Ihre Jugend diese Herren bitten, von einer solchen Beschwerde abzusehen, und hoffe, daß Sie ihnen von jetzt an höflich und rücksichtsvoll entgegenkommen, da sie einstweilen unter Ihrer Obhut bleiben müssen.“
    Und als der andere ihn fragend anblickte, fuhr er in belehrendem Ton fort: „Mein junger Kollege hat die Schuld dieser Herren für größer gehalten, als sie ist. Sind sie Lamas, so trifft sie überhaupt keine Schuld, da ihre Heiligkeit sie berechtigt, sich in jedem Tempel

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