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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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still zurück. Degenfeld ging mit dem Gottfried durch das Haus zurück auf die Straße. Diese war vollständig dunkel. Nur gerade ihnen gegenüber schimmerten einige geölte Papierfenster.
    „Das ist im Gefängnis“, sagte Degenfeld. „Dort muß es liegen.“
    „Ja, nach der Beschreibung des Tong-tschi liegt es dort. Doch sagen Sie mich erst mal, welches Jefühl Sie in der Magenjegend empfinden?“
    „Ungefähr so, als ob ich saures Bier getrunken hätte.“
    „Mich ist es ebenso. Und oben im Hals habe ich die Empfindung, als ob ich zur Hälfte einen Schangdarm verschlungen hätte. Ist es dat Jewissen, nämlich dat böse, oder die Angst?“
    „Wohl beides. Einen Schritt, wie wir ihn vorhaben, kann man unmöglich ohne Sorge und Beklemmung tun. Wer das leugnet, der lügt einfach. Doch je schneller man ins Wasser springt, desto eher ist man naß. Komm, alter Gottfried!“
    „Jottfried? Dat verbitte ich mich. Ich bin jetzt der Kuan-fu Ziegenkopf. Verstanden? Ich werde versuchen, mein Chinesisch an den Mann zu bringen.“
    „Ja nicht! Sprich so wenig wie möglich; am besten ist's, du schweigst ganz.“
    „Jut, so schweige ich chinesisch. Auch dat habe ich jelernt.“
    Sie schritten über die Straße hinüber und standen vor einem Tor, welches durch eine hohe dicke Mauer führte. Über dem Tor hing ein Gong, an welches der Methusalem schlug.
    „Schui-tsi – Wer da?“ fragte es von innen.
    „Ri Kuan-fu – Zwei Mandarine“, antwortete Degenfeld.
    Ein Riegel wurde zurückgeschoben und das Tor ein wenig geöffnet. In der Lücke erschien zuerst ein Spieß und dann die Gestalt eines Soldaten, welcher ein kleines Laternchen in der Hand hielt.
    „Lao-ye put tek lai – Die alten Herren dürfen nicht herein“, sagte er.
    Da zogen die beiden ihre Münzen vor und zeigten sie ihm. Sofort trat er zur Seite, um sie eintreten zu lassen, und verbeugte sich fast bis zur Erde herab.
    Aus der Beschreibung, welche der Tong-tschi ihm geliefert hatte, kannte Degenfeld die Örtlichkeiten des Gefängnisses. Sie schritten über einen schmalen Hof und standen nun vor der Tür des eigentlichen Gebäudes, welches sich lang und nur ein Stockwerk hoch in der Dunkelheit verlor.
    Auch hier mußte an einen Gong geschlagen werden, worauf hinter der Tür dasselbe Schui-tsi ertönte. Der Posten öffnete, als er die schon erwähnte Antwort bekam, und ließ sie nach Vorzeigen der Münze eintreten. Jetzt befanden sie sich in einem schmalen Gang, welcher von zwei Laternen erleuchtet wurde.
    „Dummes Zeug!“ brummte Gottfried.
    „Was? Die Angst?“
    „Nein, der Anzug. Dat schleppt bis auf die Füße, gerade wie bei sonne Promenadendame mit oblijate Schleppe. Ich bringe die Beine nicht vorwärts.“
    In der Mitte des Ganges gab es rechts und links eine Tür. Degenfeld wußte von Tong-tschi, wo die Gefangenen sich befanden. Er klopfte links.
    „Schui-tsi?“ rief es dahinter.
    Die beschriebene Szene wiederholte sich abermals. Auch hier stand ein Soldat, welcher auf Brust und Rücken das Wort ‚Ping‘ zur Schau trug, welches eben ‚Soldat‘ bedeutet.
    Als die Tür hinter ihnen wieder verriegelt worden war, befanden sie sich in einem breiteren Gang, in welchem zu beiden Seiten niedrige Türen mündeten. Da lagen die besseren Gefängnisse.
    Hinten am Ende des Ganges wurde jetzt eine Tür geöffnet. Der Schein eines hellen Lichtes fiel heraus und beleuchtete die Person, welche erschienen war, um zu erfahren, wer in so später Stunde komme. Es war der junge Mandarin. Das Bewußtsein seiner Verantwortlichkeit hatte ihm den Schlaf verboten. Er wartete, bis die beiden in den Kreis seines Lichts traten, betrachtete sie mit mißtrauischen Blicken, verbeugte sich nur wenig und fragte: „Sui-tsün, wer sind Sie.“
    Die beiden zeigten, ohne mit einem Wort zu antworten, ihre Münzen vor.
    „Kommen Sie herein!“
    Er führte sie in eine kleine Stube, in welcher sich ein Tisch, ein Stuhl und eine niedrige Lagerstätte befand. Auf dem Tisch brannten zwei Talgkerzen, bei denen ein aufgeschlagenes Buch lag. Der Mandarin betrachtete die Münzen längere Zeit und sehr genau; dann hatte er sich überzeugt, daß dieselben echt seien. Nun verbeugte er sich tiefer, also höflicher, und fragte: „Welcher Veranlassung habe ich es zu verdanken, daß meine höheren Brüder mich besuchen?“
    Das war noch immer nicht diejenige Höflichkeit, welche der Methusalem erwartet hatte. Darum antwortete er in ziemlich barschem Ton: „Sind Sie der Pang-tschok-kuan

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