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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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„Nimmt denn ein Kriegsschiff auch Passagiere mit?“
    „Ja, wenn sie dem Kapitän empfohlen sind.“
    „Auch Fremde?“
    „Jeden, der eine Empfehlung besitzt.“
    „Und muß dieselbe eine schriftliche sein?“
    „Ja. Noch besser aber ist es, wenn derselben eine mündliche vorangegangen ist. Aber wer einen Paß besitzt, wie zum Beispiel ich Ihnen ausgestellt habe, bedarf dessen gar nicht. Besitzt er aber außer demselben auch noch eine schriftliche und mündliche Empfehlung, so kann er auf dem Tausendfuß schalten und walten, als ob derselbe sein Eigentum sei.“
    „Das würde der Kapitän sich nicht gefallen lassen!“
    „O, was ist der Kapitän einer Flußdschunke! Nichts, gar nichts! Sie wissen ja, daß China gar keine Seeoffiziere besitzt. Sie existieren nur dem Namen nach. Ein Soldat wird zu Lande oder zu Wasser verwendet, ganz wie es seinem Vorgesetzten beliebt. Landoffiziere kommandieren auf Dschunken, und Seeoffiziere befehligen Landabteilungen, und dabei verstehen sie keins von beiden. Ich bin Chinese, aber ich kenne unsere Mängel und weiß recht gut, weshalb wir in jedem Krieg, den wir mit den Fremden führen, geschlagen werden und geschlagen werden müssen. Der Kapitän dieses Tausendfußes ist ein gewöhnlicher Scheu-yü-tsiang-tsung, auch Scheu-pi (Hauptmann) genannt, dem kaum seine Soldaten gehorchen. Die eigentliche Führung des Schiffes fällt, wie auch bei den Handelsdschunken, dem Ho-tschang zu.“
    „Und hat der Yao-tschang-ti etwas zu befehlen?“
    „Der Steuereintreiber? Diese Leute treten überall befehlend auf und gebärden sich, als ob sie hohe Mandarine seien; aber sie haben nur Macht über die säumigen Steuerzahler, sonst über keinen Menschen. Sie brüllen einen jeden an, kriechen aber in dem Staub, wenn er sie noch lauter anschreit.“
    „Dann muß eine Segel- und Ruderfahrt mit solchen Leuten sehr interessant sein.“
    „Das ist sie gewiß. Vielleicht haben Sie bald Gelegenheit, eine solche Fahrt zu unternehmen, da Sie ja auch den Pe-kiang hinauf wollen.“
    „Woher wissen Sie das? Ich erinnere mich nicht, es Ihnen gesagt zu haben.“
    „Ihr Liang-ssi sprach davon, als ich ihn heute früh zufällig im Garten traf.“
    „So hat er Ihnen auch gesagt, weshalb ich diese Richtung einschlage?“
    „Nein. Er teilte mir nur mit, daß Sie hinauf nach Schao-tschéu wollen.“
    „Ist Ihnen der Kapitän des Tausendfußes bekannt?“
    „Ja. Der Ho-po-so hat mir seinen Namen genannt.“
    „Und wohl auch der Steuereintreiber?“
    „Auch dieser. Ich kenne ihn persönlich. Er ist ein kleiner, dürrer Mann, dünkt sich aber ein Riese von Verstand und Würde zu sein. Er wird von allen ausgelacht, die keine Steuern schuldig sind. Es befinden sich auf diesem Tausendfuß einige Waren, welche ich holen lassen will.“
    „Wann?“
    „Nach Mitternacht.“
    „Warum so spät und wenn alle Tore der Gassen verschlossen sind?“
    Er blinzelte wieder sehr listig mit den Augen und antwortete: „Weil – nun, Ihnen kann ich es anvertrauen, weil es Waren sind, von denen niemand etwas wissen darf.“
    „Dürfen die Träger denn durch die Gassen? Wird man ihnen die Tore öffnen?“
    „Ganz gewiß, denn ich denke, es wird einer dabei sein, welcher einen guten Paß besitzt.“
    „Und dieser Mann muß mit ihnen gehen?“
    „Gehen? O nein! Ein Mann, welcher einen solchen Paß besitzt, darf nicht gehen. Er ist zu vornehm dazu. Auch muß ich die Waren in Sänften holen lassen, damit sie nicht von den Wächtern gesehen werden.“
    Jetzt begann der Methusalem zu begreifen. Um sich völlig zu überzeugen, ob er recht vermute, erkundigte er sich noch weiter: „Wie viele Sänften werden Sie senden?“
    „Eigentlich nur sechs. Aber es kommt noch eine Doppelsänfte dazu, um die Gewehre und Kleider aufzunehmen.“
    „Welche Gewehre?“
    „Diejenigen, welche ich von hier nach dem Tausendfuß sende. Für sie wäre eine einfache Sänfte nicht räumlich genug. Und dann bekomme ich von dem Schiff aus Kleider zugeschickt. Es ist ein kleines, heimliches Geschäft, von welchem ich sehr wünsche, daß es gelingen möge.“
    Jetzt wußte Degenfeld ganz genau, woran er war. Der Mandarin wollte ihm Kleider leihen, um sich unkenntlich machen zu können. In diesen Kleidern sollte er die Gefangenen befreien. Dann sollte er sich mit seinem Genossen nach dem Schiff tragen lassen und die Kleider zurücksenden.
    „Aber wird man nicht die Sänften und ihre Träger erkennen?“ fragte der Student, um sich genau zu

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