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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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dieses Hauses?“
    „Ja.“
    „Gibt es in dieser Stunde noch andre Oberbeamten hier, welche anwesend sind?“
    „Nein.“
    „Es sind heut zwei Lamas mit einem Dolmetscher eingeliefert worden?“
    „Nein.“
    „Ich glaube, Sie sprechen die Unwahrheit!“
    „Ich sage keine Lüge. Diese Leute sind nicht das, wofür sie sich ausgeben. Der eine ist ein Holländer und der andre ein Deutscher.“
    „Wie können Sie das wissen?“
    „Ich habe mich überzeugt. Ich habe von Scha-mien einen Dolmetscher kommen lassen, welcher mir genaue Auskunft gab.“
    „Hat er mit ihnen gesprochen?“
    „Nein, denn in diesem Fall hätten sie sich in acht genommen, sich nicht zu verraten. Er hat an ihrer Tür gehorcht, und da sie laut sprachen, verstand er alle ihre Worte. Der dritte ist ein Chinese, welcher auch deutsch spricht.“
    „Wer hat Ihnen die Erlaubnis erteilt, einen Dolmetscher kommen zu lassen?“
    „Niemand. Ich bedarf dazu keiner besonderen Genehmigung.“
    „Da dürften Sie sich irren, besonders da Ihnen schon der Tong-tschi eine ernste Verwarnung erteilt und Ihnen gesagt hat, daß er in dieser Angelegenheit allein zuständig sei.“
    „Das habe ich auch geachtet. Ich habe diese Gefangenen nicht belästigt und nur wissen wollen, wer sie sind.“
    „Die allergrößte Belästigung für einen Menschen aber ist es, wenn er sich belauschen lassen muß. Die drei Männer wohnen hier?“
    Er zeigte auf eine verschlossene Tür, welche nach der Seite hin aus dem Zimmer führte.
    „Ja“, bestätigte der Mandarin.
    „Öffnen Sie! Ich wünsche mit Ihnen zu sprechen.“
    Anstatt zu gehorchen, musterte ihn der Pang-tschok-kuan abermals genau und antwortete: „Diesem Wunsch kann ich nicht Folge leisten.“
    „Wunsch? Von einem Wunsch ist keine Rede; es handelt sich vielmehr um einen Befehl, den ich erteile.“
    „Dem muß ich widersprechen. Ich kann eine Willensäußerung von Ihnen beiden nicht als Befehl gelten lassen.“
    „Warum nicht?“
    „Weil ich Sie nicht kenne.“
    „Sie sehen es unsrer Kleidung an, daß wir Ihnen vorgesetzt sind. Ihr geblümter goldener Mützenknopf und unsre blauen Kugeln müssen Ihnen sagen, daß wir in die dritte, Sie aber in die siebente Rangklasse gehören. Wir fordern also von Ihnen denjenigen Gehorsam, welchen Sie uns schuldig sind!“
    Der junge Mann ließ kein Zeichen von Furcht blicken. Er sah dem Methusalem fest in die Augen und antwortete in ebenso festem Ton: „Dieser Gehorsam soll Ihnen werden, sobald Sie mir beweisen, daß Sie berechtigt sind, diesen blauen Knopf zu tragen.“
    „Was! Zweifeln Sie etwa daran?“
    „Ich zweifle weder, noch glaube ich daran; aber ich verlange Beweise. Gestern um dieselbe Zeit ist auch ein Mandarin desselben Knopfes hier gewesen und hat drei Gefangene entführt. Mir soll das nicht passieren.“
    Der Methusalem hätte diesem braven und furchtlosen Mann am liebsten die Hand drücken mögen, obgleich ihm diese Festigkeit sehr ungelegen kam. Darum zog er seinen Paß heraus und zeigte ihn dem Mandarin, doch so, daß er ihn nicht lesen konnte, da er sonst aus dem Inhalt ersehen hätte, daß der Vorzeiger ein Fremder sei.
    „Kennen Sie dieses Siegel?“
    „Ja; es ist dasjenige des Himmelssohnes“, antwortete der junge Mann, indem er zwar sich nicht auf die Erde warf, aber doch niederkniete. „Sie sind also ein Schün-tschi-schu-tse, ein Vertrauter der höchsten Majestät; ich beuge mich vor Ihnen.“
    „Stehen Sie auf und öffnen Sie die Gefängnistür!“
    Jetzt gehorchte der Mandarin. Die Stube, in welche der Methusalem jetzt blicken konnte, war allerdings keines der gewöhnlichen chinesischen Gefängnislöcher. Sie bot für drei Personen Raum genug und hatte einen Tisch, drei Stühle und ebenso viele Lagerstätten. Eine Laterne beleuchtete die Reste eines wohl nicht gefängnismäßigen Abendessens.
    Die Gefangenen standen erwartungsvoll inmitten des Raumes; sie hatten die Sprechenden durch die Tür gehört und den Blauroten an der Stimme erkannt. Als sie ihn nun sahen, stutzten sie. Er bot in seiner chinesischen Tracht einen sonderbaren Anblick. Zwar kleidete dieselbe sein Bierbäuchlein gar nicht so übel, aber sein dichter, dunkler Vollbart paßte nicht zu ihr, und eine solche Nase hatte man wohl auch niemals bei einem Mandarin gesehen.
    Noch anders, fast komisch, wirkte das Aussehen Gottfrieds. Die weite Tracht hing an seinem langen, hageren Körper wie ein Reisemantel um einen Gartenpfahl, und sein bartloses, vielfaltiges Gesicht nahm sich

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