32 - Der Blaurote Methusalem
ritt der Oberlieutenant, gefolgt von zehn seiner Helden, welche grimmig um sich blickten. Dann folgte der Neufundländer, welcher so stolz und sicher schritt, als ob dergleichen Triumphzüge bei ihm zu den Alltäglichkeiten gehörten. Nun kam der Methusalem zu Pferd, das Gewehr auf dem Rücken und die Pfeifenspitze im Mund, aus welchem er dichte Rauchwolken stieß, hinter ihm natürlich Gottfried mit der Pfeife und dem Fagott. Diesem folgte Turnerstick mit weit geöffnetem Fächer, neben ihm Richard Stein, der hell und lustig über die gaffende Menge hinblickte. Hierauf war die Sänfte zu sehen. Die beiden Pferde, welche dieselbe trugen, wurden von zwei Polizisten geführt. Rechter Hand des Palankins ging ein dritter Polizist, welcher den ausgespannten Schirm des Dicken als Zeichen der hohen Würde des Besitzers trug, denn je größer in China der Fächer und der Schirm, desto vornehmer ist der Herr desselben. Zur linken Hand sah das fette Gesicht des Mijnheer mit der schottischen Mütze aus der Sänfte. Da er auf den Sattel verzichtet hatte, wollte er wenigstens in dieser Weise die Menge von seinem Dasein überzeugen und die Huldigung derselben entgegennehmen. Seine feisten Wangen und der Umstand, daß er getragen wurde, brachten auch wirklich die Überzeugung hervor, daß er der vornehmste der fremden Mandarine sei. Darum verbeugte man sich oft vor dem Kopf, dem einzigen sichtbaren Teil des Herrn mit dem langen Stammbaum, was von dem Mijnheer stets voller Huld mit einem freundlichen Grinsen erwidert wurde. Hinter der Sänfte ritten die beiden Brüder Liang-ssi und Jin-tsian, welche natürlich wenig Aufsehen erregten, und den Schluß des Zuges bildeten die andern zehn Kavalleristen, hinter denen sich die Menge wieder schloß, um den Fremden nachzudrängen.
So ging es langsam durch die Straßen und Gassen der Stadt und endlich, endlich, nach fast einer Stunde, zum östlichen Tor derselben hinaus, wo die Straße immer am Wasser hin nach Schin-hoa, dem Ziel des heutigen Rittes, führte.
Dort vor dem Tor kehrten die Polizisten um, und der Mijnheer erhielt seinen Schirm wieder zugestellt. Viele Bewohner der Stadt aber folgten noch eine weitere Strecke, bis sie sich schließlich doch überzeugt hatten, daß die Fremden genau so wie sie selbst auch gestaltet seien.
Von jetzt an gebärdete sich der Oberlieutenant ganz als Führer und Beschützer der ihm anvertrauten hohen Herrschaften. Er gab eine Menge ganz unnötige Befehle, welche häufig den geradesten Widerspruch enthielten, kommandierte seine Untergebenen bald vor, bald hinter, bald neben die Reisenden, sprengte weit voran, um auszuschauen, ob die Straße sicher sei, und blieb ebenso häufig zurück, um sich zu überzeugen, daß dort keine hinterlistige Gefahr drohe. Er hielt seine Leute und Pferde fortwährend in Atem, und das alles nur, um den ‚Erleuchteten‘ zu zeigen, welch einen wichtigen Posten man ihm anvertraut habe, und daß er ganz der Mann sei, denselben auszufüllen.
Die Straße stieg bald am steilen Ufer empor, bald senkte sie sich wieder zum Niveau des Flusses nieder. Sie war gut angelegt und leidlich unterhalten. Die chinesische Regierung schenkt zwar dem System der Kanäle mehr Aufmerksamkeit als demjenigen der festen Wege, aber das Land ist trotzdem keineswegs arm an guten Straßen. Oft sind dieselben sogar mit großer Kühnheit angelegt, und die Hindernisse, welche Flüsse, Täler und Schluchten bieten, werden von Brücken und Viadukten überschritten, welche Jahrhunderte überdauert haben und die Bewunderung selbst eines berühmten europäischen Architekten erregen würden, zumal diese Bauten zu einer Zeit ausgeführt wurden, in welcher bei uns niemand gewagt hätte, so kühne Wege anzulegen.
Die Reisenden erblickten an der Straße, welcher sie folgten, von zehn zu zehn Li, also nach unsrem Längenmaß ungefähr alle fünf Kilometer, Soldatenhäuser, welche mit einem Wachtturm versehen waren. Man hat sie an solchen Stellen errichtet, daß es möglich ist, von einem Turm die beiden nächsten zu erblicken und mit Hilfe von Flaggen, welche an hohen Stangen aufgezogen werden, Signale zu empfangen und weiterzugeben. Diese Wachttürme haben ganz besonders den Zweck, die Nachricht von Empörungen, welche in China sehr häufig sind, schnell zu verbreiten.
In ebenso regelmäßigen Abständen waren Ruhehäuser angelegt, welche auf Kosten des Staates unterhalten werden, jedermann zur Aufnahme dienen, besonders aber von den reisenden Beamten benutzt
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