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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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anjelangt kämen!“
    „Vielleicht würden wir als vagierende Zigeuner per Schub über die Grenze gebracht.“
    „Und zwar, ohne dat man sich erst vorher die Mühe jäbe, uns nach unsrem Impfschein zu fragen. O China, wie habe ich mich in dich jetäuscht! Wie hast du mir in meine Bejeisterung betrogen! Deine Köche will ich loben, aber deine Soldaten kannst du nur jetrost wieder in die Schachtel tun!“
    Ganz entgegen diesem Urteil fragte der Mandarin in selbstbewußtem Ton Degenfeld: „Hat der erleuchtete Gebieter in seinem Land auch so tapfere Krieger?“
    „Sind diese Leute denn tapfer?“ fragte der Student.
    „Über alle Maßen. Sie fürchten selbst den Tiger, das einhörnige Rhinozeros und den wildgewordenen Elefanten nicht.“
    „Hoffentlich bekomme ich während meiner Reise die Gelegenheit, ihren Mut zu erproben.“
    „Das würde vielen Gegnern das Leben kosten. Wann wünschen die ehrwürdigen Herren diese Stadt zu verlassen?“
    „Sobald die Vorbereitungen getroffen sind.“
    „Das ist bereits geschehen, und es ist alles zum Aufbruch bereit; doch vorher mögen die Vielgepriesenen den Morgenreis bei mir verzehren.“
    Unter Morgenreis ist Frühstück zu verstehen. Dieses bestand nicht aus so vielen Gängen wie das gestrige Abendessen. Der Mandarin wünschte nicht, die Anwesenheit seiner Gäste zu verlängern. Als er sah, daß sie von den Speisen nur nippten, machte er ein sehr zufriedenes Gesicht. Dasselbe nahm nur dann einen finstern Ausdruck an, wenn sein Blick auf den Mijnheer fiel. Dieser hatte sich festgesetzt, als ob er heute gar nicht wieder aufstehen wolle, und langte in einer Weise zu, als ob er befürchtete, von heut an bis nach Ablauf der Woche nichts Eßbares mehr vor die Augen zu bekommen.
    Endlich klappte er sein Messer zu, schob es in die Tasche und sagte: „Zoo! Heden och tend word ik niet meer eten; maar vervolgens muit ik een middageten hebben – So! Heut früh werde ich nicht mehr essen; aber nachher muß ich ein Mittagmahl haben.“
    Nun begab man sich in den Hof hinab, um aufzubrechen. Eine Rechnung war nicht zu berichtigen. Auch die Trinkgelder kamen in Wegfall, da es einem hochgestellten Chinesen niemals beikommen kann, Dienste zu belohnen, welche er seinem Rang nach zu beanspruchen hat. Der Kuan hatte ja sogar die angenehme Wirkung, daß weder für die Pferde noch für die Begleitung oder den mitgenommenen Proviant etwas zu entrichten war.
    Unangenehm war nur die häßliche Zeremonie des Verabschiedens. Der Methusalem suchte sie so viel wie möglich abzukürzen, und der Mandarin unterstützte sehr gern dieses Bestreben. Der erstere sagte Dank für die genossene Gastfreundlichkeit und versprach, an geeigneter Stelle derselben rühmend zu gedenken, und der letztere beklagte, die sehr hochwürdigen Gönner nicht noch länger bei sich zu sehen und bewirten zu können. Dann stieg man zu Pferd.
    Außer dem Dicken hatten alle schon früher im Sattel gesessen. Selbst Richard hatte den Onkel Methusalem oft in den Tattersall begleitet und da einen kleinen Ritt gemacht. So war also nicht zu befürchten, daß einer sich vor den Bewohnern von Schao-tscheu blamieren werde.
    Die Sänfte war in der von Degenfeld angegebenen Weise an zwei Pferden befestigt worden. Der Dicke stieg ein, und der Gottfried machte Feuer, damit die Wasserpfeife in Brand gesteckt werden könne. Dann setzte sich der Trupp in Bewegung, von dem Mandarin unter tiefen Bücklingen bis vor das Tor begleitet, wobei ihm seine Untergebenen eifrig sekundierten.
    Draußen stand eine ungeheure Menschenmenge. Die Ankunft der Fremdlinge hatte nicht so viel Aufsehen erregt, weil man von derselben nichts gewußt hatte. Mittlerweile aber war es ruchbar geworden, daß vornehme Mandarine aus einem fernen Erdteil bei dem Vorsteher der Stadt eingekehrt seien und am Vormittag wieder abreisen würden. Diese Kunde hatte sämtliche Einwohner aus ihren Häusern gelockt, und nun standen sie Kopf an Kopf, um ihre Neugierde zu befriedigen.
    Dies hatte der Mandarin geahnt und danach seine Vorkehrungen getroffen. Um ein Fortkommen durch die dicht gedrängte Menge zu ermöglichen, schritt eine Anzahl Polizisten voran, welche mit ihren Stäben Platz machten, indem sie die nötigen Hiebe und Püffe austeilten. Damit die so geschaffene Lücke sich nicht wieder schließe, ging rechts und links je eine Reihe derselben Sicherheitsbeamten, welche die Köpfe der Zudringlichen ebenso bearbeiteten. Zwischen ihnen bewegte sich der eigentliche Zug.
    Voran

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