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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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möglich abreisen zu sehen.
    Im Speisesaal wurde der Tee getrunken, und dann erschien der Hausherr, um die ‚Herren mit den langen Stammbäumen‘ zu ersuchen, sich in den Hof zu bemühen. Degenfeld zählte dort fünfzehn Pferde. Sechs waren zum Reiten und zwei zum Tragen des Palankin für den Mijnheer bestimmt. Den übrigen waren Packsättel aufgeschnallt.
    Degenfeld untersuchte die Reitpferde. Es waren kleine, häßliche Tiere, die sich aber später als sehr munter und ausdauernd bewiesen. Das Zaumzeug war leidlich, doch zeigten die Sättel eine unbequeme Gestalt, und die Bügel waren schwer und unbeholfen. Dem konnte aber nicht abgeholfen werden.
    Der Methusalem bestieg eins der Tiere, um es zu probieren. Von einem Durchreiten der Schule konnte keine Rede sein, weil es eben keine Schule besaß, doch gehorchte es ziemlich willig dem Zügel und dem Schenkeldruck.
    „Nun, wollen Sie nicht auch einmal probieren?“ fragte Turnerstick den Dicken.
    „Ik?“ antwortete dieser, indem er alle zehn Finger abwehrend ausspreizte. „Ik niet, waarachtig niet – Ich nicht, wahrhaftig nicht!“
    Er kehrte, um ganz sicher zu sein, daß ein solches Ansinnen nicht wieder an ihn gestellt werden könne, schleunigst nach seinem Zimmer zurück.
    Alles, was mitgenommen werden sollte, war schon verpackt. Das waren Speisen, einige Flaschen Raki und sodann vorzugsweise eine bedeutende Anzahl von Decken aus den verschiedensten Stoffen, mit deren Hilfe die Reisenden es sich in den Einkehrhäusern möglichst bequem machen sollten.
    Dann führte der Mandarin seine Gäste vor das Haus, wo der Oberlieutenant mit zwanzig berittenen Soldaten hielt. Er trug auf der Brust einen Tuchfleck, welcher die Gestalt des Kriegstigers zeigte, hatte aber gar nicht etwa ein tigerartiges Aussehen. Von kleiner, dürftiger Gestalt, saß er auf einem ebenso dürftigen Rößlein, welches Lockenhaare wie ein Pudel hatte. Desto gewaltiger war der Sarras, welcher ihm von der Seite hing. Rechts und links blickten ihm zwei riesige Pistolen aus den Taschen, von denen aber zu vermuten war, daß sie die löbliche Eigenschaft besaßen, gerade dann nicht loszugehen, wenn geschossen werden sollte.
    Ein ebenso unritterliches Aussehen hatten seine Kavalleristen. Sie waren verschieden gekleidet und verschieden bewaffnet. Der eine hielt einen langen Spieß und der andre ein Gewehr in der Hand, dessen Lauf wie ein Korkzieher gewunden war. Der dritte hatte eine Mordwaffe, von welcher man nicht wußte, ob sie eine Armbrust oder eine Mausefalle sein solle. Der vierte trug eine Keule, aus welcher verrostete Nagelspitzen naiv schauten. Der fünfte hatte einen Bogen ohne Pfeile und der sechste einen Köcher, zu welchem aber der Bogen fehlte. In ähnlicher Weise waren auch die andern armiert. Das Kriegerischste an ihnen waren die martialischen Gesichter, welche sie schnitten, und die Schrift, welche sie alle auf dem Rücken trugen. Dort stand nämlich geschrieben ‚Ping‘, das ist ‚Soldat‘.
    „Alle Ober- und Unterjötter! Wat sind das für Leute?“ fragte Gottfried.
    „Soldaten, Kavalleristen“, antwortete der Methusalem.
    „Und die sollen mit uns?“
    „Jawohl.“
    „Weshalb denn?“
    „Um uns zu beschützen.“
    „Dat glaube ich nicht.“
    „Weshalb denn sonst?“
    „Wenn ich sie mich so betrachte, so scheint es mich, dat sie mit uns wollen, damit nicht sie uns, sondern wir ihnen beschützen sollen. Nicht?“
    „Das letztere ist freilich wahrscheinlicher als das erstere.“
    „Und wat bedeutet die baumwollene Schrift auf ihren Hinterfronten?“
    „Soldat.“
    „Ah, siehst du, wie du bist! Wat die Chinesigen doch für pfiffige Jungens sind!“
    „Inwiefern?“
    „Nun, dat ist doch leicht zu erkennen. Diese Soldaten brauchen nicht zu fechten und zu kämpfen. Es ist jar nicht nötig, dat sie ihr edles Leben wagen. Sie brauchen nur auszureißen und dem Feind den Rücken zuzukehren. Dann liest er dat schreckliche Wort, Soldat' und wendet vor Angst auch um und jeht von dannen. So wird durch eine alljemeine Flucht der glänzendste Sieg jewonnen. Ich werde diese Erfindung mit nach Hause nehmen und sie in einem einjeschriebenen Brief an Moltke senden. Vielleicht blüht mich dafür der schwarze Adler erster Jüte mit Brillanten.“
    „Ja, diese Leute werden uns mehr schaden als nützen; aber wir müssen sie mitnehmen. Unser Rang erfordert es.“
    „Na, wat würde man in Berlin oder so da in Deutschland herum von unserm Rang denken, wenn wir in solcher Jesellschaft

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