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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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offnen Maul anzublicken. Nun rennt er wohl zu Barthein, um sich Most zu holen, womit ich Verstand und Lebensart bezeichnen will. Wir sind ihm glücklich los. Jehen wir nun rin in dat Vergnüjen!“
    Das Gebäude enthielt zwei Abteilungen von sehr verschiedener Größe. Die kleinere war jedenfalls für den Wirt, die größere für die Gäste bestimmt. Als Gottfried einen neugierigen Blick in die erstere warf, fuhr er schnell zurück und rief: „Pfui Spinne! Von dieser Madame möchte ich nicht essen!“
    „Wieso?“ fragte Turnerstick.
    „Die Familienmutter hat sich neben dem rauchenden Schmertropf nieder jelassen und hält eine junge Lady in ihrem Schoß, mit deren Kopf sie janz datselbige macht, wat die Affen so häufig einander zuliebe tun. Wenden wir uns jrauenhaft auf die andre Seite!“
    Dort sah man einen großen, kahlen Raum, in welchem nur ein Tisch und zwei Bänke standen. In kurzer Zeit aber sah es wohnlicher aus. Da es eine Ruhepause galt, waren die Soldaten nicht zurückgeblieben. Sie brachten die Decken und Tücher herein, um sie über den Tisch und die Bänke zu breiten. Einige Matten wurden auf den Boden gelegt, und dann holten die reitunlustigen Kavalleristen die Mundvorräte herein, welche von dem Methusalem verteilt wurden.
    Die Herrschaften aßen am Tisch und die Soldaten am Boden auf den Matten. Da ein hochgestellter Chinese sich nicht gern von einem tieferstehenden beim Essen beobachten läßt, so hatten sich die Krieger so gesetzt, daß sie den Reisenden den Rücken zukehrten, was also nicht ein Zeichen eines Mangels an Achtung, sondern das gerade Gegenteil war.
    Nach einer halben Stunde hatte man das Mahl beendet, und der Methusalem mahnte zum Aufbruch, welchem Befehl die Soldaten nur sehr langsam Folge leisteten.
    Degenfeld wollte, obgleich man von dem Wirt nichts verlangt hatte, diesem doch eine Münze geben. Liang-ssi ging, ihn zu suchen, kehrte aber zurück, ohne ihn gefunden zu haben. Der Mann ließ sich aus Angst vor dem Fagott zu den Verschollenen zählen, und das Geld mußte seiner Frau ausgehändigt werden.
    Nun ging es wieder vorwärts, immer tiefer in die Berge hinein. Bald führte die Straße durch tiefe, enge, finstere Klüfte, bald stieg sie in steilen Windungen wieder zur hellen Höhe empor, um eine Aussicht auf neue Tiefen zu eröffnen.
    Die Reisenden strengten jetzt die Pferde möglichst an, um noch vor Nacht das Ziel zu erreichen. Die Soldaten waren gezwungen, ihnen ebenso schnell zu folgen. Der Weg war menschenleer. Kein Wanderer begegnete ihnen. Hier und da gab es einmal ein Haus oder eine einsame Siedlung, deren Bewohner neugierig vor die Türen gerannt kamen und halb erstaunt, halb erschrocken zurückfuhren, wenn sie die fremdartigen Reiter erblickten.
    Der Methusalem ritt voran; er hatte während des ganzen Tages keine Lust gezeigt, sich zu unterhalten. Seine Gefährten hielten zusammen, um sich den Weg durch Gespräch zu verkürzen. Sie bemerkten, daß er der Gegend eine ungewöhnliche Aufmerksamkeit schenkte und bald rechts, bald links blickte, als ob er etwas suche.
    So verging der Nachmittag, und der Abend wollte hereinbrechen, als man auf der letzten Höhe anlangte, von welcher aus man die Stadt Schin-hoa am Ufer des hier schmalen Flusses liegen sah – Degenfeld befahl dem Offizier, voranzureiten, um dem regierenden Mandarin des Ortes die Ankunft des Inhabers eines kaiserlichen Kuan zu melden, welchem schleunigst Folge geleistet wurde.
    Nun ging es langsam bergab. Die Sonne war schon hinter den Bergwänden verschwunden, und die Höhen warfen ihre immer tiefer werdenden Schatten in das Tal. Als die Reiter die Sohle desselben erreichten, sahen sie die Wirkung der Botschaft, welche Degenfeld dem Oberlieutenant aufgetragen hatte. Dieser hatte die Neuigkeit wohl laut auf der Straße verkündet, denn es kam ihnen eine dichte Menschenmenge entgegen, welche sich zu beiden Seiten des Weges aufstellte.
    Um diesen Gaffern schneller zu entgehen, wurden die Pferde angespornt, und im Galopp ging es dem Tor der Stadt entgegen. Dort wartete ihrer der Offizier, um sie nach der Wohnung des Mandarin zu bringen, bis wohin die Einwohner förmlich Spalier bildeten. Und doch war es bereits dunkel, daß man kaum einige Schritte weit zu sehen vermochte. Laternen aber durften noch nicht gebrannt werden, da das Zeichen dazu noch nicht gegeben war.
    Die Gäste wurden wie gestern von dem Mandarin an der Tür empfangen und dann in das Innere des Hauses geleitet. Der lange Ritt hatte die

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