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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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werden.
    In der Nähe jedes dieser Gebäude stehen an einer in die Augen fallenden Stelle drei weiße, steinerne Säulen, um den Reisenden schon von weitem auf das Vorhandensein des Ruhehauses aufmerksam zu machen. Diese Steine gleichen unseren Meilenzeigern, doch enthalten sie keine Bestimmungen der Entfernungen; die letztere ist vielmehr auf Brettern angegeben, welche an Pfählen befestigt sind.
    Der Oberlieutenant war am ersten Ruhehaus vorbeigaloppiert, ohne es zu beachten; beim zweiten aber hielt er an, verbeugte sich vor dem Methusalem und sagte: „Hier ist ein sehr schönes Sië-kia (Ruhehaus), und ich ersuche die mächtigen Gebieter, abzusteigen.“
    Während er das sagte, schwang er sich auch schon aus dem Sattel, und seine Leute folgten diesem Beispiel.
    „Wer hat gesagt, daß hier geruht werden soll?“ fragte der Student.
    „Ich“, antwortete der Offizier dummerstaunt.
    „Sind Sie so ermüdet?“
    „Ja.“
    „So reiten Sie vernünftiger, und strengen Sie Ihre Leute und Pferde nicht so an! Ich habe keine Veranlassung, abzusteigen.“
    „Aber, erleuchteter Herr, es ist hier Sitte, zwanzig Li zu reiten und dann auszuruhen!“
    „Diese Sitte gefällt mir nicht.“
    „Wir haben ja Speise und Trank bei uns und können essen und trinken. Auch sind Decken genug vorhanden, um uns in aller Bequemlichkeit niederlassen zu können!“
    „Wenn wir das tun und Ihrem Gebrauch folgen, so sind wir in zehn Tagen noch nicht am Ziel.“
    „Ist es denn nötig, es so bald zu erreichen? Wir haben ja Zeit!“
    „Ihr, aber wir nicht. Wie weit ist es von Schao-tscheu bis Schin-hoa?“
    „Hundert Lie.“
    „So müßten wir viermal einkehren und würden den letzteren Ort wohl erst übermorgen erreichen. Ich aber will heut noch hin.“
    „Das ist unmöglich, hoher Vorfahre.“
    „Ich werde Ihnen beweisen, daß es sehr wohl möglich ist. Wir kehren nur einmal ein, nämlich wenn wir die Hälfte des Weges, also fünfzig Li, zurückgelegt haben.“
    „So müssen wir verschmachten, und die Pferde werden vor Müdigkeit stürzen.“
    „Das sagen Sie, der Sie Offizier und Kavallerist sind? Ich finde diese Tiere sehr brav und getraue mir, mit ihnen ohne allen Aufenthalt direkt das Ziel zu erreichen.“
    „Oh, sie wanken doch schon!“
    „Das scheint Ihnen nur so, weil Sie selbst das Gleichgewicht verloren haben. Kehren Sie hier ein, wenn es Ihnen beliebt, wir aber reiten weiter!“
    Er trieb sein Pferd an, daß es in Galopp fiel; die andern folgten, und selbst die Packtiere, welche keine besonderen Führer hatten, rannten hinterdrein. Der Oberlieutenant machte ein Gesicht, wie er es wohl noch nie gezogen hatte. So etwas war ihm noch nie passiert. Er hatte große Lust, seinem Kopf zu folgen, besann sich aber eines Besseren, stieg wieder auf und ritt, gefolgt von seinen Leuten, den Vorausgeeilten nach.
    Von jetzt an ließ er sein Tier ruhig gehen und hielt sich schmollend eine kleine Strecke weit zurück.
    Am Mittag wurde die Stelle erreicht, an welcher der eine Arm des Flusses nach rechts ab nach Schi-hing und der andre links nach Schin-hoa führt. Diesem letzteren folgten die Reisenden, ohne den Offizier zu fragen, ob dies die richtige Richtung sei.
    Nun wurde die Gegend immer gebirgiger. Bisher waren die Berge bis zu ihrer Höhe mit Feldern bebaut gewesen; jetzt zeigten sich auch bewaldete Gipfel, ein Zeichen, daß man sich der eigentlichen Masse des Nan-ling-Gebirges nähere.
    Als an einer der erwähnten Tafeln zu ersehen war, daß Schin-hoa nur noch vierzig Li entfernt sei, hielt der Methusalem beim nächsten Einkehrhaus an. Der Wirt desselben, ein dicker, schmutzig aussehender Chinese, kam heraus, um die Ankömmlinge zu begrüßen. Sein Gesicht war nicht eben ein freundliches. Jedenfalls hatte er die Erfahrung gemacht, daß chinesische Soldaten nicht solche Gäste sind, an denen viel zu verdienen ist. Als er aber nun die fremd gekleideten Herren sah, erhielten seine Züge einen noch ganz andern Ausdruck. Er riß den Mund auf, ebenso die kleinen Schlitzaugen, so weit er konnte, und starrte die Männer an, als ob ihm der Verstand abhanden gekommen sei.
    Der Gottfried sprang vom Pferd, hielt dem Mann das Fagott ans Ohr und konstruierte einen schauderhaften Triller, daß der Wirt vor Entsetzen einen lauten Schrei ausstieß und zu gleichen Beinen davonlief, um hinter der Ecke des Hauses zu verschwinden.
    „So!“ lachte der Wichsier. „Dem habe ich beijebracht, dat es niemals jeraten ist, jeehrte Herrschaften mit dem

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