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323 - Die Hölle auf Erden

323 - Die Hölle auf Erden

Titel: 323 - Die Hölle auf Erden
Autoren: Manfred Weinland
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Wahrheit.«
    ***
    Mahó stürmte wie von Furien gehetzt ins Haus und sofort weiter in ihr Zimmer.
    Ihre Mutter ahnte schon, was los war. Sie folgte ihrer Tochter und setzte sich auf den Rand des Bettes, in das Mahó geflüchtet war, unter die Zudecke. Voller Mitgefühl legte die Frau ihre Hand auf den Rücken des Mädchens, so konnte sie jede Erschütterung spüren, die das Schluchzen des Kindes hervorrief.
    »Beruhige dich, hier bist du sicher. Ist es wieder stürmisch draußen? Musst du dich hier verkriechen?«
    »Es schneit, Mutter. Eisenflocken. Jede so schwer wie eine Münze. Mir tut alles weh. Bleib bei mir, erzähl mir eine schöne Geschichte. Und pass auf dich auf. Geh ja nicht raus. Wo ist Vater?«
    »In Sicherheit. Wir sind alle in Sicherheit.«
    »Und das Dach? Wird es halten? Das Gewicht...«
    »Es wird halten.«
    Das Schluchzen ebbte ab. »Eine Geschichte, Mutter, eine Geschichte!«
    »Heute machen wir es umgekehrt«, sagte die Frau, während Tränen über ihre Wangen rollten. »Du erzählst mir eine Geschichte. Einverstanden?«
    Mahó schien zu überlegen. Dann antwortete sie durch die Decke hindurch: »Einverstanden.«
    »Ich bin schon ganz gespannt, mein Kind.«
     
    »Du warst lange bei ihr.«
    »Ich hatte Mahó gebeten, mir eine Geschichte zu erzählen. Sonst tue ich das, um sie in den Schlaf zu wiegen.«
    »Und sie hat dir wirklich eine erzählt?« Mahós Vater setzte sich im Sessel auf und sah seine Frau erwartungsvoll an.
    »Ja... und es hat mich beunruhigt.«
    Als sie nicht weiter redete, hakte er nach: »Nun rede schon – was war denn?«
    Sie schien nach Worten zu suchen. »Ihr Zustand hat sich verändert«, sagte sie schließlich.
    »Ihr Zustand? Also ich habe keine Veränderung an Mahó festgestellt. Die meiste Zeit ist sie entweder auf ihrem Zimmer oder treibt sich draußen herum. Ob es nun Tag ist oder Nacht.«
    »Du hörst ihr zu wenig zu. Aber das war schon immer so. Mir hörst du auch nie richtig zu.«
    Er überging ihren Vorwurf. »Vielleicht musst du mal wieder zu Dr. Bashato mit ihr. Er wird uns sicher sagen können, was mit ihr los ist.«
    »Dafür brauche ich Dr. Bashato nicht. Ich weiß, dass etwas anders geworden ist.« Nun endlich schien sie die passenden Worte gefunden zu haben. »Bislang dachte sie, die Welt wäre nur von ihr und ihrer Familie bewohnt. Alle anderen blendet sie einfach aus. Für sie ist die Gegend fast menschenleer, und Hiroshima... existiert gar nicht.«
    Er nickte ungeduldig. »Ja, ja, das weiß ich alles. Und weiter? Was ist anders geworden?«
    »In ihrer Geschichte kamen zum ersten Mal Personen vor, die nichts mit uns zu tun haben. Fremde .«
    Die Miene von Mahós Vater schien auszudrücken: Na und? Warum auch nicht? Ihre Einbildung schlägt doch ständig Kapriolen. » Für mich hört sich das nach einer Verbesserung an«, versuchte er seiner Frau Mut zuzusprechen.
    »Ich wünschte, es wäre so. Nach all den Jahren...«
    »Alles wird gut«, sagte er.
    Sie ballte die Fäuste. Wie so oft füllten sich ihre Augen mit Tränen. »Du redest immer nur«, flüsterte sie erstickt. »Wie sollte es je gut werden? Dafür bräuchte es ein Wunder.«
    »Wir werden für sie beten.«
    Sie wandte sich ab und ließ ihren Tränen freien Lauf.
     
    Mahó schlug die Bettdecke zurück. Im einen Moment hatte der Sturm aus Eisenschnee noch um das Haus geheult, im nächsten verstummte er, als würde die Natur die Luft anhalten.
    Mahó schwang die Beine über die Bettkante und setzte die Füße auf den Dielenboden. Sie lauschte.
    Stille. Nichts außer ihrem Atem, dem Rauschen des eigenen Blutes in den Adern und dem Schlag ihres Herzens war zu hören.
    Tageslicht drang durch die Fensterscheibe, die beim jüngsten Erdbeben beschädigt worden war und Sprünge aufwies – aber nicht in Mahós Vorstellung. In ihrer Welt war alles heil, alles gut.
    Sie stand auf und trat ans Fenster. Sie glaubte geschlafen zu haben, trotz des tobenden Sturms, aber sie war sich nicht sicher. Und jetzt stellte sie verblüfft fest, dass draußen keine dicke Schicht aus Eisenflocken lag, sondern das Ufer rings um die Bucht sowie der Berg, der sich hinter dem Haus erhob, in warmen Sommersonnenschein gebadet waren.
    Mahó fasste einen bestimmten Punkt ins Auge – und ihre Gedanken eilten ihr dorthin voraus...
    ***
    Sie folgten dem Trupp bis zum Ufer der Bucht. Dort lag ein motorbetriebenes Boot, auf das die Soldaten samt ihrer Gefangenen wechselten. Ohnmächtig mussten Matt und Xij zusehen, wie es sich wenig
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