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323 - Die Hölle auf Erden

323 - Die Hölle auf Erden

Titel: 323 - Die Hölle auf Erden
Autoren: Manfred Weinland
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später über das Wasser Richtung Hiroshima entfernte. Die Stadt war von hier aus deutlich zu sehen, und sie war viel größer, als Matt es erwartet hätte, obwohl er die Opferzahlen kannte, über die in den folgenden Jahren und Jahrzehnten berichtet werden würde.
    Falls sich auf dieser Erde alles so zuträgt wie auf der, von der ich stamme. Sicher ist das nicht.
    Es gab Unterschiede von Parallelwelt zu Parallelwelt, mal gravierende, mal rudimentäre. Letztlich würde es sich erst am 6. August entscheiden. Aber die Hoffnung, dass dieses Hiroshima von der Bombe verschont bleiben würde, war verschwindend gering.
    Vielleicht war es sogar seine eigene Welt. Aber um das herauszufinden, hätten sie mehr Zeit und ein Archiv benötigt.
    Wenn sich Matt recht erinnerte, würden an besagtem 6. August aufgrund unsicherer Wetterbedingungen von den sieben Maschinen des Bombergeschwaders, das den amerikanischen Luftwaffenstützpunkt Tinian verließ, drei Alternativziele angeflogen werden: Hiroshima, Kokura und Nagasaki. Erst nach dem positiven Bescheid eines der Begleitflugzeuge der ENOLA GAY würde sich deren Pilot für Hiroshima entscheiden.
    In einer Alternativwelt könnte demnach schon eine andere Wetterlage genügen, um das Inferno nach Kokura oder Nagasaki zu verlagern.
    Matt merkte, wie nervös ihn solche Gedankenspiele machten. Immerhin ging es um das Schicksal Abertausender Menschen. Und mehr noch: um Weichen, die für die Zukunft gestellt wurden.
    Hitler ist tot , dachte er. Wenigstens das sollte sich auch in dieser Realität nicht anders verhalten.
    » Wir müssen ihnen hinterher«, sagte Xij.
    Leichter gesagt als getan. Hier gab es entlang des Uferstreifens nur das Militärboot. Erst in weiter Entfernung stand ein Gebäude, von dem Matt annahm, dass es sich um Mahós Elternhaus handeln könnte. Dazu gehörte ein Steg, an dem eine Nussschale vertäut lag. Um dorthin zu gelangen, hätten sie im günstigsten Fall zehn, fünfzehn Minuten gebraucht. Der Vorsprung des Militärbootes wäre uneinholbar gewesen, ganz abgesehen von der Frage, ob die Nussschale über einen Außenbordmotor verfügte.
    »Das schaffen wir nicht«, antwortete er. »Aber ich habe eine Idee, wie wir rauskriegen könnten, wohin Grao gebracht wird. Dann folgen wir ihnen im Schutz der Dunkelheit.«
    »Was schwebt dir vor?«
    Matt erklärte ihr seinen Plan, worauf Xij skeptisch die Lippen verzog. »Es wird schwer sein, sich in der Stadt zurechtzufinden – und dann auch noch unentdeckt zu bleiben.«
    Er nickte. »Das war es auch nicht in Sodom und Venedig. Und trotzdem haben wir es geschafft.« Er lächelte unfroh. »Nutzen wir die Zeit bis dahin. Beginnen wir mit dem, was ohnehin getan werden muss. Mir graut schon jetzt vor der Plackerei...«

7.
    »Das ist er?« Tadamichi Ariaga spähte durch den Spionschlitz in die Zelle, in der ein beleibter, vollbärtiger Mann auf einer Pritsche kauerte. Obwohl er eingesperrt war, trug er zusätzlich Hand- und Fußfesseln, deren Stahlglieder nur mit schwerem Gerät voneinander zu trennen waren – oder eben mit dem passenden Schlüssel.
    Der Kommandeur der Regionalarmee selbst hatte diese Maßnahme angeordnet.
    »Das ist er«, bestätigte der Offizier, der die Daishô-in-Operation geleitet hatte. Mit Erfolg, wie es schien.
    Allerdings wusste Ariaga noch nicht einzuordnen, wie wertvoll dieser Erfolg war. War ihnen wirklich ein feindlicher Spion ins Netz gegangen? Kaito, ihr Spitzel bei den Mönchen, hatte ihn wortreich als »Meister der Maske« angepriesen. Doch dieser Kerl dort in der Zelle wirkte auf Ariaga nur erbärmlich.
    Er wäre geneigt gewesen, Kaitos Behauptung als völlig übertrieben abzutun, wäre da nicht der Gegenstand gewesen, der zusammen mit dem Gefangenen im Tempel sichergestellt worden war.
    Außerdem hatte sich die einmalige Gelegenheit ergeben, in einem Aufwasch auch noch das missliebige Oberhaupt der Daishô-in-Gemeinschaft festzunehmen. Shi Kao saß seither in einer anderen Zelle des Hauptquartiers der Chukogu-Regional-Armee. Ariaga ließ ihn absichtlich schmoren. So alt, wie Shi Kao war, würde er die Strapazen der Gefangenschaft vielleicht nicht überleben.
    Niemand fände das bedauerlicher als ich , dachte der Generalleutnant zynisch. Und erteilte seine Befehle.
    ***
    Grao wusste nicht um die absolute – auch zeitliche – Dringlichkeit einer erfolgreichen Flucht, aber er wusste, dass er dort, wo er gerade war, ganz bestimmt nicht bleiben wollte. Gefängnisse sahen überall gleich aus. Auch
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