324 - Eine neue Chance
Jahrzehnte durch die Zeiten irren können.
Dass sie in ihrer Zeit und Welt gelandet waren, daran bestand kein Zweifel; schließlich war dies das letzte entstandene Tor. Und offensichtlich hatte es sich eben erst etabliert, nach dem missglückten Schuss auf den Streiter. Ansonsten befände es sich nicht mehr hier unter der Abstrahlschüssel, sondern wäre bereits in den inneren Rundgang gewandert.
Dies wiederum bedeutete, dass sie vor ihrem Aufbruch hier angelangt waren, also zweimal vorhanden sein mussten! Welche Auswirkungen das hatte, musste sich erst noch zeigen. Ließ die Zeit sich betrügen? Oder würden sie ein Paradoxon auslösen?
Matt Drax schüttelte den Kopf. Darüber durfte er sich jetzt keine Gedanken machen. Vor ihnen lag eine Aufgabe, so groß wie ein Drittel des Mondes. Die Zeit arbeitete gegen sie. Jede verlorene Sekunde konnte Hunderte von Leben kosten.
»Mefju’drex!« Grao’sil’aana trat auf ihn zu, verschob die Schuppenhaut an seiner Seite – und zog das x-förmige Superior Magtron und die Kette mit dem sternförmigen Schlüssel aus seinem Körper hervor. Nur so hatten sie beides über die Zeitschwellen transportieren können. »Wir müssen uns beeilen!«
Der Daa’mure dachte wie immer logisch und ohne störende Emotionen und brachte ihre Situation auf den Punkt. Gerade eben hatte Matts zweites Ich den Schuss auf den Streiter ausgelöst, doch weil die Energiebänke erst zu siebzig Prozent gefüllt waren, war der Schuss verreckt. Dank dem unglaublich starken Magnetfeld des Magtrons hatten sie nun die Chance, die Speicherwaben in Minutenschnelle neu aufzuladen. Es musste gelingen, bevor der Streiter sich vom Mond löste und somit aus der Zielortung geriet.
»Danke.« Matt hängte sich die Kette um den Hals und nahm das Magtron an sich. Dabei fühlte er eine nervenaufreibende Mischung aus Erleichterung und Spannung, die seine Hände schwitzen ließ. Sie hatten es bis hierher geschafft – nun brauchten sie nur noch ein zweites Wunder, um die Vernichtung der Erde abzuwenden. Die Karten waren neu gemischt. Sie hatten eine neue Chance.
Hart presste Matt die Zähne aufeinander, als er an den Streiter dachte, der nur wenige Stunden nach dem missglückten Schuss den Mond verlassen würde, um sich auf die Erde zu stürzen. Seine vernichtende Schwärze, die alles zu verschlingen drohte, stand vor seinem inneren Auge.
Du bekommst die Erde nicht , schwor sich Matt.
Xij meldete sich zu Wort. »Weiß jemand, wie spät es genau ist? Wie viel Zeit bleibt uns noch?«
»Ich denke, der Schuss wurde gerade erst abgefeuert«, tat Matt seine Vermutung kund. »Wie lange hat es gedauert, bis sich der Streiter in Bewegung gesetzt hat? Drei Stunden ab jetzt?«
Sie hatten versucht, einen kreisrunden Ausschnitt des Ursprungs , jenes lebenden Flözes im Boden Ostdeutschlands, in den Streiter zu versetzen und ihn so zu versteinern. Das war zwar nicht gelungen, aber die Ausläufer des Schusses mussten die kosmische Entität dennoch erreicht haben, denn für eben diese drei Stunden war sie wie paralysiert gewesen.
Xij nickte. »Stimmt. Wir sind ja auch immer zum Zeitpunkt ihrer Entstehung aus den Zeitblasen gekommen.« Sie stockte kurz. »Aber das bedeutet auch...«
»… dass unsere vergangenen Ichs noch hier sind«, führte Matt den Satz zu Ende, und seine Hand krampfte sich um das Superior Magtron. »Die entscheidende Frage ist nun: Können wir den Zeitablauf ändern?«
Grao’sil’aana gab ein Grunzen von sich. »Bestimmt nicht, wenn wir hier weiter rumstehen und Reden schwingen«, sagte er. Seinen Missmut hatte er durch alle Zeitreisen hindurch bewahrt – vielleicht die einzige Konstante der zurückliegenden Abenteuer.
Trotzdem ist er menschlicher geworden, dachte Matt. Und er hat uns einige Male den Arsch gerettet. Ohne seine Hilfe wären wir nie so weit gekommen. Ob das allerdings aus humanitären Gründen oder bloßem Eigennutz geschehen war, konnte er nicht einschätzen. Auf ihrer Reise mussten sie zwangsläufig ein Team bilden, denn nur gemeinsam mit den anderen hatten sie die Portale passieren können.
»Dann los!« Entschlossen ging Matt voran, Xij und Grao folgten ihm. Durch eine offene Luke verließen sie den Raum unter der Schüssel und traten in den inneren Kreisgang.
»Seht!«, zischte Xij plötzlich. »Das... das bin ich!« Matt folgte ihrem ausgesteckten Finger mit Blicken – und sah eine zweite Xij, die gerade in einen Quergang zum äußeren Ring der Anlage einbog. Unter dem
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