33 - Am Stillen Ozean
verstehe.“
„Natürlich! Rechnet nun einmal dazu, daß dieses Fahrzeug jetzt, wo die Flut noch nicht umgesprungen ist, die Anker lichtet, um in die See zu stechen. Der Kapitän muß andere als seemännische Gründe haben, dies zu tun. Ich setze hundert Sovereigns, daß es entweder in seinem Kopf oder zwischen seinen Planken etwas Unsauberes gibt. Ihr haltet doch die Wette!“
„Ich wette nie.“
„So setzt wenigstens zehn Pfund gegen meine hundert!“
„Auch das nicht, Sir.“
„Wirklich nicht? For shame, Charley, schämt Euch! Es ist ein wirkliches Unglück, daß Ihr so ein netter Kerl seid und Euch doch niemals verstehen wollt, einen Einsatz anzunehmen. Ihr werdet es in Eurem ganzen Leben nicht dazu bringen, ein wahrhaftiger Gentleman zu sein, und da mich dies ganz bedeutend ärgert, so werde ich Euch schon einmal zu zwingen wissen, eine Wette zu parieren. Seht Ihr den spanischen Dampfer? Will auch der in See gehen?“
„Wohl nicht. Er wird wohl den Chinesen in das Schlepptau nehmen sollen, um ihn gegen die Flut aus dem Hafen zu bugsieren.“
„All right! Er legt sich vor, und der Chinese zeigt seinen Stern. Könnt Ihr vielleicht sehen, welchen Namen er führt?“
„Nein.“
„Dann muß ich meine Chair-and-umbrella-pipe zu Hilfe nehmen.“
Er nahm den Schirm auf, stellte die Gläser und visierte nach der Dschunke hinüber.
„Haiang-dze. Der Kuckuck hole die albernen Namen, welche diese Zipfmänner führen! Kommt, Charley. Da Ihr einmal nicht wetten wollt, so geht uns das Schiff auch nichts mehr an!“
Wir schritten der Stadt zu und schlugen die Richtung nach dem Hotel Madras ein. Dort angekommen, begaben wir uns in das luftige Gemach des Engländers, um hier Kaladi zu erwarten.
Die diesem gesetzte Frist verstrich, ohne daß er erschien.
„Charley!“
„Was?“
„Wollen wir wetten?“
„Nein.“
„So hört doch erst, was ich meine! Ich behaupte nämlich, daß dem armen Teufel etwas Widerliches passiert ist, und setze auf diese Meinung fünfzig Pfund. Ihr seid natürlich anderer Ansicht und werdet also diesmal meine Wette parieren.“
„Leider kann ich dies nicht tun, weil ich ganz dieselbe Ansicht hab, wie Ihr, Sir John. Wäre alles in Ordnung, so müßte er ja schon längst erschienen sein.“
„Well! Ihr seid einmal, was das Wetten betrifft, ein vollständiger und unverbesserlicher Ignorant. Ein wahrer Gentleman würde auf meinen Vorschlag eingehen, selbst wenn seine Ansicht ganz mit der meinigen übereinstimmt. Ich warte noch fünf Minuten. Kommt er auch während dieser Zeit nicht, so brechen wir auf und – hush, was geht da draußen vor?“
Draußen auf der Straße, wo jetzt die Dunkelheit des hereinbrechenden Abends mit dem Schein der zahlreich in den offenen Veranden aufgehängten Lampen stritt, ließ sich ein ungewöhnlicher Lärm vernehmen. Laute, durchdringende Rufe ertönten und der Sturmschritt einer schnell dahineilenden Menge erscholl.
Wir traten hinaus vor den Eingang. Die Hauptmasse war bereits vorüber, doch kamen wir immerhin noch zeitig genug, um einen windschnell dahinschießenden Menschen zu erkennen, welcher in ebensolcher Hast verfolgt wurde.
Raffley hatte in der Eile den Klemmer von der Nase verloren; er hing ihm an der schwarzseidenen Schnur über die Weste herab.
„Charley!“
„Sir John!“
„Wißt Ihr, wer der Mann war?“
„Nein.“
„So bin ich scharfsinniger als Ihr.“
„Nun?“
„Kaladi!“
„Ah!“
„Ja, er war es sicher. Man hat ihn attrappiert und ihn wieder festnehmen wollen.“
„Er kann es nicht gewesen sein!“
„Warum nicht?“
„Weil er sicher bei uns Zuflucht gesucht hätte.“
„Pshaw; der gute Kerl hat uns nicht mit seinen Verfolgern belästigen wollen.“
„Das hieße die Zartheit zu weit treiben, da Ihr Euch seiner einmal angenommen habt. Er weiß ja, daß sein Leben auf dem Spiel steht.“
„Sein Leben? Wo denkt Ihr hin? Laßt Euch doch nichts weismachen, Charley! Kaladi ist nicht nur der beste Schwimmer, sondern auch der ausdauerndste Läufer, den ich kenne. Er wird sich diesesmal nicht fassen lassen. Dennoch aber bedarf er meiner Hilfe, und ich werde deshalb jetzt zum Mudellier gehen. Ihr begleitet mich doch?“
„Das versteht sich?“
Wir kehrten in das Zimmer zurück, um unsere Hüte und Sir Johns Chair-and-umbrella-pipe zu holen, hatten aber diese Gegenstände noch nicht ergriffen, als sich hinter uns die Tür öffnete, um Kaladi einzulassen, welcher mit fliegendem Atem und rinnendem
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