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33 - Am Stillen Ozean

33 - Am Stillen Ozean

Titel: 33 - Am Stillen Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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müssen!“
    „Versuche es einmal, ob du es fertigbringst!“
    Er zog, im höchsten Grad belustigt, ein Paar riesige Drehpistolen hervor. Ich folgte seinem Beispiel und griff zu meinem Revolver.
    „Ihr wollt Euch wehren?“ fragte der Ceylonese erschrocken.
    „Nein, mein lieber Sohn. Wir wollen uns nicht wehren, sondern werden dich nur ein wenig erschießen, wenn es dir einfallen sollte, uns noch länger zu belästigen.“
    Der Mann befand sich sichtlich in einer schauderhaften Verlegenheit. Die Pflicht stritt in ihm mit der Furcht, welche ihm unsere Waffen einflößten, doch schien die Furcht zu siegen.
    „Wie sagtet Ihr, woher Ihr seid, Sihdi?“
    „Aus England.“
    „Aus Anglistan, wo die große Königin wohnt? Ist das wirklich wahr?“
    „Wirklich!“
    „Und Ihr werdet auch gewiß zum Mudellier gehen?“
    „Gewiß.“
    „Und Ihr werdet mich nicht betrügen?“
    Raffleys Gesicht leuchtete förmlich vor Vergnügen. Er liebkoste seinen Bart in einer Weise, welche auf die beste Laune schließen ließ, und antwortete:
    „Ich bin ein Maharadscha aus Anglistan, und dieser Sihdi hier ist ein noch viel größerer Maharadscha aus Germanistan. Wenn du es nicht glaubst, so werde ich es dir beweisen. Kannst du lesen?“
    „Ja!“ versicherte der Gefragte, obgleich er sicher keinen Buchstaben kannte. Er gab diese Antwort jedenfalls nur, um sich bei seinen Untergebenen in den gehörigen Respekt zu setzen.
    Sir John griff in die Tasche und brachte ein zusammengefaltetes Papier hervor. Es war die Speisekarte, welche er vorher im Hotel Madras zu sich gesteckt hatte. „Hier, lies!“
    Der Mann ergriff das Blatt, führte es respektvoll an die Stirn, betrachtete es dann mit ernster, wichtiger Kennermiene und bewegte dabei die Lippen, als ob er lese. Dann schlug er es höchst sorgfältig wieder zusammen, drückte es an die Brust und gab es zurück.
    „Ihr habt die Wahrheit gesagt, Sihdi. Ihr seid zwei Maharadscha vom Sonnenuntergang; hier steht es geschrieben. Ich darf Euch freilassen, denn ich weiß nun, daß Ihr zum Mudellier gehen werdet, um mich zu entschuldigen und ihm zu sagen, daß ich den Gefangenen nur deshalb entlaufen ließ, weil er Euer Diener war und also Euch gehörte.“
    Er legte, ehrerbietig grüßend, unter einer tiefen Verneigung die Hände auf die Brust, wandte sich dann zu seinen Kriegshelden und marschierte mit ihnen die Plattform hinab der Stadt entgegen. Hinter ihm verlief sich der versammelte Haufen des neugierigen Volkes.
    Vom Hafen herauf ließ sich ein eigentümlicher, monotoner Gesang vernehmen. Er ertönte auf einem ungewöhnlich großen chinesischen Schiff, dessen Gangspill von fünf Männern gedreht wurde, um den großen Anker aufzuziehen. Sie ließen dabei nach dem Takt ihrer Schritte den bei diesen Seeleuten gebräuchlichen Kanon ‚tien omma omma tien woosing‘ hören.
    Raffley schob sich den Klemmer näher an die Augen und betrachtete das Fahrzeug mit aufmerksamem Blick.
    „Charley!“ sagte er.
    „Sir John!“
    „Wollen wir wetten?“
    „Wetten? Worüber?“
    „Das der Kapitän dieser Dschunke entweder den Verstand verloren hat oder unter einer zweideutigen und schmutzigen Flagge segelt.“
    „Warum glaubt Ihr dies?“
    „Well, Ihr seid kein Seemann und habt also infolgedessen kein Auge für solche Dinge. Habt Ihr jemals eine Dschunke mit drei Masten gesehen?“
    „Nein.“
    „Und von einer so wunderbaren Takelage?“
    „Was ist so Wunderbares an ihr?“
    „Die Vereinigung des chinesischen mit dem amerikanischen System und die Verhältnisse der Mastenhöhen. Wie kommt es, daß der Besan höher ist als der Haupt- und der Fockmast? Und was soll das lange Spriet mit einer Doppelpardune?“
    „Allerdings auffällig! Aus der Pardune läßt sich schließen, daß das Fahrzeug Pflugsegel trägt, um den Wind scharf zu schneiden, und mir scheint, die Masten haben die erwähnte Höhe erhalten, weil das nach hinten aufsteigende und voller werdende Segelwerk auf eine Vergrößerung der Schnelligkeit berechnet ist, wozu allerdings der tonnenförmige Bau des Rumpfes nicht paßt.“
    „Charley, ich habe Euch für keinen Seemann gehalten, aber Ihr habt wirklich einen ganz guten Blick für Dinge, welche dem Auge einer Landratte sonst zu entgehen pflegen. Diese Dschunke ist eine höchst ungeschickte Nachahmung amerikanischer Klipperschiffe, und ich möchte mich ihr bei einer Bö um keinen Preis der Erde anvertrauen.“
    „Diese auffällige Ausrüstung muß einen Zweck haben, den ich nicht

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