33 - Am Stillen Ozean
Auge zu bringen und durch diese Manipulationen dem Gesicht die nötige Schärfe zu geben.
„Heigh-ho, ist's möglich!“
„Was?“
„Daß es Kaladi ist!“
„Kaladi? Wer ist das, Sir John!“
„Das sollt Ihr später erfahren. Ich muß mich überzeugen!“
Er ergriff seinen Schirm, spannte dessen weißgraues Dach auf, drehte an einigen Schrauben des hohlen Dippelstockes und suchte durch das jetzt entstandene Fernrohr den Punkt, auf welchem die Exekution vor sich gehen sollte.
„Wollen wir wetten, Charley?“ fragte er nach einer Pause, während welcher seine Mienen eine immer größer werdende Spannung angenommen hatten.
„Worüber?“
„Daß sich dieser Mann nicht ertränken läßt?“
„Ah!“
„Nicht wahr, das klingt unmöglich! Und doch setze ich hundert Sovereigns!“
„Gegen wen?“
„Gegen Euch natürlich!“
„Ihr wißt, Sir, daß ich nicht wette.“
„Well, das ist wahr. Ihr seid ein prächtiger Kerl, Charley, aber bis zum vollkommenen Gentleman habt Ihr es noch nicht gebracht, sonst würdet Ihr Euch nicht beständig weigern, einmal einen guten Einsatz anzunehmen. Dennoch aber werde ich Euch beweisen, daß ich die Wette gewinnen würde!“
Er steckte zwei Finger in den Mund und ließ einen scharfen, durchdringenden Pfiff erschallen, welcher weithin zu vernehmen war. Auch der Verurteilte hörte ihn. Kannte er dieses Signal des Engländers? Mit einer raschen Bewegung hob er den tief gesenkten Kopf und blickte zum Leuchtturm empor. Raffley stieß einen zweiten Pfiff aus und schwenkte den Schirm in der Luft.
Die Wirkung war eine augenblickliche und überraschende. Der zu dem Tod des Ertrinkens Verurteile schnellte sich ganz unerwartet durch den Kreis der ihn umstehenden Soldaten bis an den Rand der Klippe und stürzte sich kopfüber in die Fluten des Meeres hinab.
„Seht Ihr es, Charley“, sagte John Raffley, „daß ich gewinnen würde?“
„Ich sehe es noch nicht; der Mann hat sich ja selbst ertränkt!“
„Sich ertränkt? Seid Ihr bei Sinnen?“
„Nun, was anders?“
„Was anders? Well, Ihr werdet es gleich sehen! Behold, da taucht er aus den Wogen auf. Nun, Charley, was sagt Ihr jetzt?“
„Bei Gott, er lebt! Der Kerl schwimmt ja trotz seiner gefesselten Hände wie ein Fisch!“
„Wie ein Fisch? Pshaw, das ist noch zu wenig; wie ein Hummer wollt Ihr sagen! Es ist Kaladi, mein früherer Diener, der beste Taucher und Schwimmer im ganzen Bereich dieser tristen und langweiligen Insel, was aber der brave Mudellier, der ihn verurteilt hat, nicht zu wissen schien.“
„Der Mann war Euer Diener? Drum kennt er Euern Pfiff!“
„So ist es. Er muß übrigens etwas verteufelt Schlimmes begangen haben, denn diese Distriktsverwalter lassen jeden Eingeborenen durchschlüpfen, wenn es nur irgend möglich ist; sie sind ja selbst ausschließlich Singhalesen. Seht, die gebundenen Arme genieren ihn nicht im geringsten, weil er auf dem Rücken schwimmt. Er kommt grad auf den Leuchtturm zu!“
Der sonst so wortkarge Mann war mit einem Male ganz außerordentlich lebendig geworden. Er verfolgte jede Bewegung des Schwimmenden mit ungewöhnlicher Spannung, focht mit den Händen hin und her, als könne er ihm dadurch behilflich sein, und machte mir dabei die notwendig scheinenden Erklärungen.
„Wie er stößt; wie schnell er vorwärts kommt! Er wird von dem Volk verfolgt, der Teufel hole es! Aber ehe die Soldaten den Umweg von der Klippe nach dem Leuchtturm gemacht haben, ist er längst hier angekommen. Ich kenne ihn. Wir sind im vorigen Frühjahr miteinander über den Kalina-Ganga, über den Kalu-Ganga und sogar über den reißenden, hoch angeschwollenen Mehavella-Ganga geschwommen.“
„Was war er denn, bevor er in Eure Dienste trat?“
„Er war der geschickteste Perlfischer auf den Bänken von Negombo und ist nur mir zuliebe mit in das Innere des Landes gegangen. Ich erkannte ihn gleich und werde ihn retten.“
„Auf welche Weise? Wenn er wirklich ein schweres Verbrechen begangen hat, wird das unmöglich sein.“
„Unmöglich? Ihr kennt dieses verrückte Land und dieses noch viel verrücktere Volk noch nicht, Charley. Ich bin Sir John Raffley aus Raffley-Castle in Altengland und will den Mudellier sehen, der es wagt, mit mir zu rechten! Da, jetzt hat er das Ufer erreicht. Es ist ein Glück, daß kein Haifisch mehr in der Nähe war, sonst hätte er wegen der gefesselten Arme einen schweren Stand gehabt. Kommt, Charley, wir gehen ihm entgegen! Er hat mich erkannt und kommt
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