33 - Am Stillen Ozean
Ausländer nennen sie Bonzen, der Chinese aber kennt dieses Wort gar nicht, sondern sagt Ho-schang oder Sing.“
Jetzt erblickte uns der Bonze und neigte grüßend seinen Papierfächer.
„Tsching-tsching!“ grüßte er uns kordial, indem er jedem eine seiner Hände reichte.
„Ihr seid der Sing von dieseng Pagodang?“ fragte Turnerstick.
„Sing, tsche!“ nickte der Gefragte.
„Seht Ihr es, Charley, daß er mich versteht! Dieser Priester ist ein gebildeter Mann, und ich werde mich sehr angenehm mit ihm unterhalten.“
Er deutete auf das mittlere Götzenbild und fragte:
„Wer ist der alting, guteng Herrang hier?“
„Fo!“ lautete die Antwort.
„Fo? Wer ist das, Charley?“
„Buddha, welcher in China Fo genannt wird.“
„Und wer sind die beideng andern Leuting?“ fragte er weiter, auf die beiden Nebenfiguren deutend.
Der Bonze erklärte sich die Frage aus der Pantomime und antwortete, erst auf das eine und dann auf das andere Götzenbild deutend:
„Phu-sa und O-mi-to.“
„Hört, Charley, ich sehe zu meiner Verwunderung, daß sogar die Gebildeten in China ein so schlechtes Chinesisch reden, daß man sie ganz unmöglich verstehen kann. Was meint er?“
„Er spricht chinesisch und japanisch. Phu-sa nennen die Chinesen den berühmten buddhistischen Patriarchen Bodhisatwa, dessen Bild diese Figur sein soll. Und O-mi-to ist japanisch, denn diesen Namen hat Buddha in Japan erhalten.“
„Ja, wer und was ist denn nun eigentlich dieser Buddha?“
„Buddha ist ein Wort aus dem Sanskrit und bedeutet eigentlich ‚Weiser‘. Buddha war ein berühmter Religionslehrer, lebte tausend Jahre vor Christus und hatte zum Vater Sudhodana, König von Mogadha, welches jetzt Behar heißt. Sein eigentlicher Name war Sramana Gautama; doch wurde er auch Sockja Muni genannt und – – –“
„Stopp, stopp, stopp, Charley!“ rief Turnerstick, sich die Ohren zuhaltend. „Wenn Ihr noch eine Minute lang mit solchen Namen um Euch werft, so schnappe ich über. Ich will doch lieber im stärksten Taifun segeln als mich von so einem Fremdwörterorkan anblasen lassen. Wir wollen uns lieber dieses alte Gemäuer einmal betrachten.“
Und sich zu dem Bonzen wendend, fuhr er fort, auf die Treppe deutend:
„Dürfang wir aufsteiging?“
Dies wurde uns ohne Widerrede erlaubt, aber bereits im zweiten Stockwerk blieb der Kapitän halten.
„Charley, klettert Ihr allein weiter. Das ist hier ja schlimmer als auf unserer Ziegenjagd! Ich werde mich verschnaufen und Euch hier erwarten.“
Ich stieg mit unserm Führer weiter; hätte ich eine großartige Tempeleinrichtung erwartet gehabt, so wäre ich vollständig enttäuscht worden, denn all diese Räume enthielten gar nichts und zeigten nur die nackten Wände. Das einzige, was mich für das mühselige Aufsteigen belohnte, war die weite Rundschau, welche mir auf dem sicher zweihundertfünfzig Fuß hohen Turm geboten wurde.
Der Bonze war – eben ein Bonze, und damit ist alles gesagt. Seine ganze Bildung bestand in der Kenntnis der rein mechanischen Opfergebräuche, und ich fühlte die Meinung bestätigt, welche ich mir vorhin über ihn gebildet hatte, als er die beiden Nebengötter für Phu-sa und O-mi-to erklärte. Er kannte nicht einmal die richtigen Namen der Figuren, welche er anbetete. Die Bonzen sind im allgemeinen höchst unwissende Menschen; sie leben teils von der Mildtätigkeit anderer und teils von den Gaben, welche sie erhalten, um die Sünden anderer auf sich zu nehmen und durch ein frommes Leben abzubüßen. Da sie jedoch im Zölibat leben, sind sie kinderlos, kaufen sich aber gewöhnlich ein Kind, einen Sohn armer Eltern, den sie sich zum Nachfolger erziehen, indem sie ihm die wenigen Handgriffe und die kurzen Gebete lehren, die ihr ganzes Können und Wissen ausmachen.
„Du bist kein Fo-dse?“ fragte mich der Bonze.
„Nein; ich bin ein Kiao-yu, ein Christ.“
„So wunderst du dich wohl, daß du diesen Tempel betreten darfst?“
„Nein, denn die Tempel meines Gottes darf auch ein jeder, also auch jeder Fo-dse betreten.“
„Betet und räuchert ihr auch zu eurem Tien-tschu?“
„Ja.“
„Betet ihr ihn auch an mit Glocken und Gongs?“
„Wir bringen ihm schöneres Glockengeläut und bessere Musik als ihr.“
„Wie ist das möglich? Ihr seid ja Barbaren und habt gar keine Musik!“
„Die Tien-Tschu haben schönere Musik als die Fo-dse, die Hoei-hoei, die Tsang, die Dschi-pen und die Tungda-dse. Eure Musik ist sehr leicht, die unserige
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