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33 - Am Stillen Ozean

33 - Am Stillen Ozean

Titel: 33 - Am Stillen Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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denn ihm mußte der Grimm, den Turnerstick darüber hegte, daß er seine Sprachkenntnisse nicht zeigen durfte, vollständig unverständlich sein. Er gab uns für die beiden Dollar seine Tsiens, und dann gingen wir. Draußen blieb der Kapitän stehen.
    „Charley, ist Euch schon einmal so etwas vorgekommen?“
    „Was?“
    „Daß Ihr Chinesisch gelernt habt und könnt es nicht gebrauchen?“
    „Nein! Das ist mir allerdings noch nicht vorgekommen.“
    „Na, also! Weshalb gehe ich denn eigentlich an das Land, um Land und Leute kennenzulernen, he? Doch wohl nur, weil ich die Sprache verstehe und diesen Leuten zeigen will, daß hinter dem Berg auch noch Fricking Turnerstickings wohnen. Und da schreit mich dieser Kerl gar englisch an! Ich mag von diesem Hongkong nichts mehr wissen. Wir müssen tiefer in das Land hinein, wo man gebrauchen kann, was man gelernt hat!“
    Eine Viertelstunde später trieben wir in unserem Bambuskahn mit der Flut stromauf. Die Ufer des Stromes waren felsig, und zwar so pittoresk, wie ich es gar nicht erwartet hatte; nach und nach aber wurden sie niedriger. Flüsse und Kanäle durchschneiden in allen Richtungen die weiten Ebenen, und an mehreren derselben liegen Dörfer und Ortschaften, entweder auf erhöhtem Terrain und dann von soliderem Material erbaut, oder in der Niederung, nur von Bambus und auf Pfählen errichtet. Wenn dann die steigende Flut die Felder unter Wasser setzt, liegen diese Ortschaften wie kleine Inseln darin.
    Schwerfällige Dschunken glitten den Fluß entlang, und kleine Fischerboote durchkreuzten denselben nach allen Richtungen. Die ganz großen Handelsdschunken sind ungeschlachte Dinger von bedeutender Größe, sehr hochbordig und ragen wie Elefanten oder Nilpferde aus dem Wasser. Sie haben einen sehr breiten Stern, gleich demjenigen eines altholländischen Linienschiffes, der bunt bemalt und vergoldet ist, und das Verdeck ist mit einem ungeheuren Strohdach versehen, welches das Fahrzeug noch viel schwerfälliger erscheinen läßt. Die Masten, welche ungemein dick sind und aus einem einzigen Stück bestehen, haben an der Spitze eine Rolle, durch welche ein schweres, drei Zoll im Durchmesser haltendes Tau läuft, mit Hilfe dessen das schwere Mattensegel aufgehißt wird. Das Vorderteil eines solchen Fahrzeuges ist meist rot bemalt und hat rechts und links vom Bug je ein oft fünf Fuß im Durchmesser haltendes Glotzauge, von welchem diese Dschunken den Namen Lung-yen erhalten haben und die dem Schiff jenen drohenden Ausdruck geben, durch welchen böse Geister und andere Ungetüme, welche nach chinesischem Glauben das Wasser bevölkern, hinweggetrieben werden sollen. Wegen der so gefürchteten Flußpiraterie haben diese großen Handelsdschunken gewöhnlich eine Kanone oder auch zwei dieser Geschütze an Bord.
    Die Kriegsdschunken sind etwas schärfer gebaut und auch nicht so übermäßig hochbordig. Sie führen gewöhnlich vier bis sechs Drei- oder Vierpfünder an den Seiten, einen oder zwei Sechs- bis Neunpfünder im Vorderteil und zuweilen auch im Stern einige kleine Kanonen. Einige Gingals oder Wallbüchsen mit sechs bis acht Fuß langem Lauf und einer zwei Zoll im Durchmesser haltenden Mündung drehen sich in Zapfen auf ihrem Gestell, welches an den Schiffseiten befestigt ist. Die Mannschaft ist mit Luntenflinten, Lanzen, Schilden und Säbeln bewaffnet; doch tragen viele auch noch Bogen und Pfeile. Die Segel werden durch fünfundzwanzig bis dreißig Ruder unterstützt. Die Disziplin ist auf einem solchen Kriegsfahrzeug eine echt chinesische. Täglich wird dreimal ein Gebet zu dem Kriegsgott gehalten, wobei ein wahrhaft ohrenzerreißendes Klingeln, Pauken und Schreien nebst Abbrennen von Schwärmern und Raketen stattfindet.
    Unser Boot strich vor der Flut und der guten Brise, welche sich fest in unser Bastsegel legte, recht munter durch die Wogen. Ich wußte, daß von der Mündung des Flusses aus bis hinauf nach Canton vier Pagoden zu finden seien, und wir beschlossen, eine derselben zu besuchen. Die erste hatten wir bereits hinter uns; als die zweite vor uns auftauchte, hielten wir auf das Ufer zu, legten an und stiegen aus.
    Pagoden sind in fast unglaublicher Menge über ganz China zerstreut, und man findet wohl kein Dorf, welches nicht wenigstens eines dieser Gebäude aufzuweisen hätte. Die Chinesen erzählen, daß es in Peking mit Umgebung zehntausend Pagoden gebe, doch soll diese Zahl wohl nur ‚sehr viele‘ bedeuten. Man findet sie an den Landstraßen und

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