33 - Am Stillen Ozean
Flüssen ebensowohl wie mitten in den Städten, Ortschaften und Feldern. Ihre Architektur ist eine sehr verschiedene. Meist unterscheiden sie sich nicht sehr von den gewöhnlichen Wohnhäusern, und viele derselben sind nur kleine Kapellen oder gar Nischen, in welchen ein Götzenbild steht, vor dem sich die Gefäße für das Rauchopfer befinden.
Oft aber besitzen diese Bauwerke bedeutende Dimensionen, und zu diesen gehörte auch die Pagode, welche wir besuchen wollten.
Unser Bootsführer blieb am Ufer zurück; wir aber schritten in das freie Feld hinein und auf ein Dorf zu, hinter welchem sich das Gebäude erhob. Ich hatte erwartet, daß die Bewohner des Dorfes uns mit großer Neugierde empfangen würden, sah mich aber enttäuscht – der Ort mußte öfters von Fremden besucht werden. Man betrachtete uns zwar mit einiger Aufmerksamkeit, sonst aber erregten wir weiter kein Aufsehen, als daß einige Frauen unter die Türen traten und eine kleine Schar hoffnungsvoller Jungen hinter uns hertrabte und in allen Tonarten und Modulationen ihr ‚Bief-stä, Bief-stä!‘ riefen.
„Was wollen diese Rangen, was meinen sie, Charley?“ fragte Turnerstick.
„Sie halten uns für Engländer, die ja durch die ganze Welt den Ehrentitel ‚Beefsteaks‘ tragen. Ihr macht hier also die höchst interessante ethnographische Beobachtung, daß zwischen den Gassenjungen aller Länder eine sehr erfreuliche Übereinstimmung herrscht.“
Jetzt lag das Dorf hinter uns, und zur Höhe führte ein sehr gut unterhaltener Weg, welcher zu beiden Seiten von Ziersträuchern eingefaßt war. Wir folgten seinen Schlangenwindungen und standen endlich vor der Pagode. Der Kapitän betrachtete sich das aus braunen, mit weißem Kitt verbundenen Ziegelsteinen aufgeführte Gebäude.
„Acht Stockwerke! Wozu das, Charley?“
„Eine indische Überlieferung erzählt, daß man Buddhas Leiche verbrannt und seine Asche in acht Teile gesondert und in ebenso viele Urnen verschlossen habe. Zur Aufbewahrung der Asche baute man nun einen achteckigen und achtstöckigen Turm und verwahrte in jedem Stockwerk eine der Urnen, so daß die Asche der Füße in das Parterre, diejenige des Kopfes aber in die höchste Etage kam. Dieser Turm nun hat den späteren Bauwerken als Muster gedient.“
„Well, so laßt uns zunächst einmal die Fußpartie betrachten!“
Vor dem Eingang der Pagode hielt ein alter Mann mit Früchten und jenen chinesischen Strohzigaretten feil, von denen man tausend für eine deutsche Mark bekommt. Die Kinder waren uns bis hierher gefolgt; ich kaufte den ganzen Korb voll Früchte für einen staunenswert billigen Preis und gebot dem Mann, den Vorrat unter die Jungen zu verteilen. Diese milde Stiftung erregte ungeheuren Jubel, und als ein jeder der Jungen aus der ‚Blume der Mitte‘ noch eine Zigarette bekam, da hatte es mit dem ‚Bief-stä‘ vollständig aufgehört, und alles eilte in das Dorf zurück, um dort die Kunde von unserer Freigiebigkeit zu verbreiten.
Jetzt traten wir ein. Der achteckige Raum erhielt sein Licht durch einige den Schießscharten ähnliche Öffnungen. Rechts führte eine schmale Treppe empor; in der Mitte des Hintergrundes saß Buddha, außerordentlich wohlbeleibt, was ja nach chinesischer Anschauung die erste Erfordernis der Schönheit ist, mit dicken Hängebacken und kleinen, schief geschlitzten Augen. Der Ausdruck seines Gesichts war ein höchst jovialer; die Statue schien mir weniger einen Gott als vielmehr einen Gastronomen vorzustellen, der soeben ein feines Mahl beendet hat und nun vergnügten Sinnes und mit fröhlich blinzelnden Augen sich anschickt, ein Mittagsschläfchen zu halten. Von Bedeutung aber war mir der Umstand, daß die Nase ganz nach kaukasischem Schnitt geformt war, und ich mußte dabei an die weit verbreitete Anschauung denken, daß die Tienhio aus dem Westen gekommen sei.
Zu beiden Seiten des Götzen saßen zwei kleinere Figuren, deren Gesichtsausdruck ein außerordentlich grimmiger war. Vor allen dreien standen eherne Gefäße zur Aufnahme der Räucherstäbchen, und vor Buddha lagen außerdem mehrere Blumensträuße, während seine zornigen Gefährten auf diesen Schmuck verzichten mußten.
Da ließen sich Schritte auf der Treppe vernehmen. Aus dem oberen Stockwerk kam ein Mann herabgestiegen, der gemütlich eine Zigarette schmauchte.
„Wer ist das?“ fragte der Kapitän.
„Der Ho-schang“, antwortete ich.
„Ho-schang! Was ist das?“
„Der Priester und Wärter dieser Pagode. Die
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