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33 Cent um ein Leben zu retten

Titel: 33 Cent um ein Leben zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Jensen
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man sich um verrückte Leute wie mich kümmerte.
    »Das stimmt«, sagte ich. »Ein bisschen verrückt bin ich.«
    »Sehr«, sagte Anne. Sie zögerte. Sie schwieg, dann fuhr sie fort: »Und deshalb mag ich dich!«
    »Wirklich?«, sagte ich. Ich hätte schon wieder weinen können, und ich dachte, wenn ich mir in den letzten Jahren erlaubt hätte, über all das Entsetzliche zu weinen, dann könnte ich damit mehr als einen großen Eimer füllen.
    »Wirklich?«, wiederholte ich. Ich wollte es noch einmal hören. Noch mal! Immer! Immer sollte sie sagen, dass sie mich mag.
    »Weil ich ein bisschen verrückt bin?«
    Anne nickte, neigte den Kopf auf die Seite, runzelte die Stirn, kniff die Augen zusammen und betrachtete lange und eingehend Johnnys strahlenden, glänzenden und gewaltigen Kühlwagen.
    »Bis ganz nach Afrika?«, sagte sie.
    »Das hatte ich mir so vorgestellt.«
    »Kann der so weit fahren?«
    »Das ist für den ein Leichtes.«
    »Benzin?«
    Ich nickte. »Der fährt Diesel.« Ich hatte mir längst überlegt, dass wir jetzt zu Großmutter fahren und das Geld aus der KHK holen sollten.
    »Yes«, sagte Anne und fuhr fort: »Was fährst du?«
    »Lebensmittel, jede Menge Lebensmittel: Brot, Käse, Milch, afrikanisches Obst.«
    »Hält das bis Afrika?«
    Und da erklärte ich ihr, so wie Johnny es mir erklärt hatte, wie das insgesamt funktioniert und wie man die verschlossene Hecktür öffnete.
    »Das alles kannst du?«
    »Johnny hat es mir gezeigt.«
    »Ist Johnny ein feiner Kerl?«
    Ich nickte. Das war er, und für einen Moment dachte ich, dass Johnny vielleicht Probleme bekommen würde, weil ich das Auto gestohlen hatte. Aber da sagte ich mir, dass er keine bekäme. Ich war doch auf dem Weg nach Afrika und nicht er.
    Dann verließen wir die Schule, gingen über den Asphalt, den ich in dem Augenblick sehr mochte, auch wenn er Dinge gesehen hatte, die nie hätten geschehen dürfen.
    Wir hielten uns an der Hand.
    Steckte Herr Olsen den Kopf aus dem Fenster und sah uns nach?
    Ja. Aber er sagte nichts.

GROSSMUTTER
    »Das ist Anne«, sagte ich.
    Der Kühlwagen stand vor der Tür. Er füllte die ganze Straße.
    Großmutter sah uns an und dann aus dem Fenster auf den Kühlwagen.
    »Willkommen, Anne«, sagte sie.
    »Ich komme, um die Kasse zu holen.«
    Großmutter nickte. Ich sah ihr an, dass sie nie, niemals geglaubt hatte, in der Kasse seien Liebesbriefe. Ich rannte die Treppe nach oben, machte den Schrank auf, leerte die Kasse und stopfte das Geld in meine Hemdtasche.
    »Wir fahren«, sagte ich.
    »Nach Afrika?«, sagte Großmutter.
    Ich ging zu ihr, umarmte sie, ging zurück zu Anne, nahm ihre Hand, und zusammen liefen wir aus Großmutters Haus, die Treppe hinunter und zum Kühlwagen. So groß! So glänzend! Voller Kraft! Voller Salat und Käse und Äpfel und Birnen und afrikanischer Früchte. Brot, Eiern.
    »Und wo liegt Afrika?«
    Ich lachte. Das wusste Anne doch. Wir lernen alles in der Schule. Auch, wo Afrika liegt.
    »Im Süden! In dieser Richtung!« Ich nickte und fuhr direkt in die Sonne. Da war Süden.
    Noch hatten wir jede Menge Diesel. Für Hunderte Kilometer. Bis weit nach Deutschland hinein, und wenn der Tank leer war, konnte ich mehr kaufen.
    Wir fuhren aus der Stadt, durch die letzten Vororte. Wir kamen am südlichen Coop vorbei. Ein Mann mit rotem Kopf und einem schönen Anzug winkte uns nach. Das war der Direktor des Ladens. Ich kannte ihn. Ich hatte ihn in Frau Jansens Büro gesehen, und jetzt starrte er uns verwirrt nach. Bestimmt hätte Johnny dorthin abbiegen und ausladen sollen, ging mir durch den Kopf.
    Aber wir fuhren weiter. Richtung Süden, auf die Autobahn.
    Ich öffnete das Handschuhfach, schaltete mein Handy ab und ließ es in Johnnys Handschuhfach fallen. Anne sah mir zu, dann nickte sie, schaltete auch ihr Handy aus und schickte es auf denselben Weg.
    Anne saß ganz still. Ich spürte, dass sie überlegte.
    »Es dauert nicht lange«, sagte sie, »dann werden wir angehalten. Die fahnden nach dem Wagen.«
    »Ich weiß«, sagte ich.
    Mehr sagte ich nicht. Bis auf Weiteres fuhren wir einfach, ich öffnete das Seitenfenster, und donnernd fuhr die Luft herein, so dass meine Haare flogen. Ich wusste genau: Natürlich wurde nach uns gefahndet, natürlich wurden wir angehalten! Alles in allem war das, was wir taten, ziemlich bescheuert. Was ich tat. Und im Grunde war es auch ziemlich bescheuert, dass ich Anne mit hineingezogen hatte. Dann bekam sie auch Ärger, aber, und das sagte ich laut: »Aber

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