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33 Cent um ein Leben zu retten

Titel: 33 Cent um ein Leben zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Jensen
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den roten Haaren. Und Johnny, Johnny, der mir beibrachte, einen großen Kühlwagen zu fahren.
    »Bald ist Schluss«, sagte ich zu Anne.
    »Dann wird es besser?«, sagte Anne.
    »Nein«, sagte ich, »das nicht. Dann wird es erst richtig schlimm. Er schickt mich weg.«
    Mir wären beinahe die Tränen gekommen, als ich das sagte, aber ich biss die Zähne zusammen und sah ziemlich cool aus, als ob ich das natürlich schaffen würde, aber das würde ich nicht, das wusste ich. Und jetzt, wo ich mir immer sicherer war, was der Richter insgeheim plante, wurde mir klar, wie schrecklich das werden würde. Ich würde meine chaotische Mutter vermissen, ihr Staubsaugen und die merkwürdig nervösen Gesten am Esstisch. Und Sara, Sara und ihre rosa Legosteine, ihre Barbie und Ken, ihre großen Pläne, die Bauten, Schlösser, Kutschen, ihr unermüdliches Arbeiten an einer neuen Welt.
    Und meinen Vater.
    Auch ihn, wenn ich mir erlaubte, jenseits meiner Wut an ihn zu denken, auch ihn würde ich vermissen, aber am allermeisten: furchtbar, schrecklich, ich konnte den Gedanken gar nicht aushalten: Anne. Was sollte ich ohne sie machen? Ohne ihr Lächeln, ohne ihr Neigen des Kopfes, so dass das Licht in ihre Augen fiel und aus ihren Augen strömte. Anne! Ich konnte in Wahrheit den Gedanken, dass ich von ihr weggeschickt werden sollte, gar nicht aushalten, mir wurde schwindlig, und ich hielt den Gedanken an, ehe ich ihn richtig dachte.
    Und Herrn Olsen würde ich vermissen, die Schule, alles, die Klasse.
    »Er schickt mich weg«, sagte ich und lächelte ziemlich schräg und wild, um nicht zu weinen.
    Anne sah das. Sie konnte ich nicht hinters Licht führen.
    »Dann komme ich und besuche dich!«
    Ich nickte. Ich konnte nichts sagen, mir schnürte sich die Kehle zusammen, meine Augen bereiteten sich auf die Tränen vor, obwohl ich ihnen befahl, fröhlich auszusehen.

HAB ICH DAS GETAN?
    War es deshalb? Um noch eine Zeit lang mit Anne zusammen zu sein? Vor allem deshalb? Nicht um der Kinder willen? Vor allem, das glaube ich inzwischen, um meiner selbst willen.
    Ich setzte mich in Johnnys Kühlwagen.
    Ich hatte die Erlaubnis erhalten. Vorfahren, zurücksetzen, vorfahren. Berg saß mit einem Kaffee über dem Programm vom kommenden Sonntag auf der Trabrennbahn. Johnny sollte ihm helfen. Berg hatte eine neue Methode entwickelt, wo Glück und Zufall den Schlüssel zum Gewinn auf der Trabrennbahn bildeten. Johnny hatte heute viel Zeit.
    Ich fuhr, ich setzte zurück, ich fuhr vor.
    Internat? Ich war jetzt sicher. Ich hatte im Arbeitszimmer des Richters eine Telefonnummer gesehen, und im Angesicht des Gesetzbuchs, schrieb ich sie ab und checkte sie an meinem eigenen Computer. Stimmte genau. Das war das Internat. Dort also sollte ich hin, weit weg, und jeden Tag zur Schule gehen! Kein Coop. Und das Schlimmste: Keine Anne.
    Ich fuhr vor, ich setzte zurück.
    Weg von Sara, meiner Mutter, Herrn Olsen, von allem. Ich hielt den Wagen an, zog den Schlüssel ab, saß still da. Steckte den Zündschlüssel wieder rein, startete, setzte zurück.
    Saß still da.
    Fuhr vor, bog auf die Straße und fuhr vom Coop weg.

NACH AFRIKA
    Ich parkte vor der Schule.
    Jetzt hatte ich keine Angst mehr. In meinem Kopf war es merkwürdig klar. Ich konnte alles vor mir sehen: Ich holte Anne ab, wir setzten uns in den Kühlwagen und fuhren mit allen Waren nach Afrika. Auch den afrikanischen Früchten. Die sollten dahin zurück, wo sie herkamen, dort war mehr Bedarf für sie als im Coop, wo die Hälfte im Abfallcontainer landete.
    Ich ging zu Annes Klasse.
    Die sahen schon ziemlich verwirrt aus, aber ich nickte Anne zu, sie stand sofort auf und kam zu mir. Ich blieb einen Moment in der offenen Tür stehen, sah Anne an, griff nach ihrem Arm und zog sie mit auf den Gang.
    »Internat«, sagte ich. »Er hat sich entschieden.«
    Anne sagte nichts. Sie runzelte die Stirn. Sie wartete. Was würde ich sagen, was würde ich tun?
    »Afrika«, sagte ich. Und ging den Gang hinunter zu dem großen Fenster. »Da«, sagte ich. Ich deutete auf die Straße und den Kühlwagen. Der sah ziemlich schick aus. Der Lack glänzte, die großen roten Buchstaben funkelten in der Sonne.
    »Du bist verrückt!«, sagte Anne.
    »Ich weiß«, sagte ich. Jetzt glaubte ich selbst, was mir alle, meine Eltern, Herr Olsen, der Schulpsychologe und der Rektor ohne Worte gesagt hatten. Ihre Augen hatten es längst verraten: Sie glaubten, ich sei verrückt und dass ich am Ende, bald, an einen Ort eingeliefert würde, wo

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