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34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer

34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer

Titel: 34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika Reich
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ihn nicht, sich zu erklären. Außerdem hat er so was Bodenständiges, und das mochte ich ja schon immer.«
    »Was Bodenständiges?«, fragte Jasmin.
    »Er weiß, wie man einen Nagel gerade in die Wand schlägt, er hält, was er verspricht, und er muss keine Spielchen spielen. Er ist ganz ehrlich und scheint es trotzdem zu mögen, dass ich nicht immer sage, was los ist. Und weißt du, was er bei unserem ersten Treffen zu mir gesagt hat? Er hätte was in mir gesehen, das ich nicht einmal sein müsse. Das war schon sehr schön, fand ich.«
    Jasmin gab sich Mühe, verständnisvoll zu schauen, aber es gelang ihr kaum.
    Ella trank einen weiteren Schluck und fuhr fort: »Aber so gut kenne ich ihn noch gar nicht. Und am Anfang fühlt sich das ja oft so an.«
    »Was meinst du?«, fragte ihre Schwester.
    »Na, dass alles möglich ist. Das fühlt sich doch am Anfang oft so an. Und dann sind die Räume schon nach drei Treffen so eng, dass man beim vierten bereits anfängt, im Kreis zu gehen oder den Ausgang zu suchen. Und weißt du, warum? Weil alle immer versuchen, sich…«, sie stockte, »…wiederzuerkennen. Das ist das Problem. Paul muss sich nicht wiedererkennen, um zu wissen, wer er ist.«
    »Hm«, sagte Jasmin und versuchte, Ella in die Augen zu schauen.
    »Ehrlich gesagt, hab ich keine Ahnung, wie er ist.«
    »Du hast dich in einen Mann verliebt, der dich an einen glücklichen Igel erinnert oder so ähnlich und von dem du keine Ahnung hast?«, fragte Jasmin.
    In wen denn sonst?, dachte Ella und schwieg. Sollten wir jetzt nicht lieber über Leo reden?, dachte sie dann.
    »Und wie heißt der Verrückte mit dem Aquarium noch mal?«, fuhr Jasmin fort.
    »Horowitz«, sagte sie müde.
    Die Geschichte mit Leo und Hamburg stand wie ein Gorilla im Raum.
    »Und was hat er nun mit dem Meer zu tun?«, fragte Jasmin mit einem betont interessierten Gesichtsausdruck.
    Ella schaute sie fragend an. Hamburg, dachte sie, Leo und Hamburg, nicht Horowitz und das Meer.
    »Ist er Meeresbiologe?«
    »Nein, nein, kein Meeresbiologe.«
    Ella zögerte, aber im Gesicht ihrer Schwester war kein Zittern, kein Ärger zu erkennen, nichts, außer einer leicht angespannten Gesichtshaut. Der Gorilla schien sich im toten Winkel herumzutreiben. Ella würde ihr also den Gefallen tun und ihn ebenso ignorieren, obwohl es ihr schwerfiel: »Was er genau mit dem Meer zu tun hat, weiß ich nicht. Vielleicht ist er so was wie ein Meereshistoriker, wenn es so was überhaupt gibt. Und er sieht ein bisschen aus wie Woody Allen.«
    »Woody Allen? Der schon wieder. Ich verstehe überhaupt nicht, wie man Woody Allen mögen kann.«
    Ella hob an, Jasmin unterbrach sie: »Ich weiß, ich weiß, du magst Woody Allen, du schaust dir jeden seiner hunderttausend todlangweiligen Filme an, in denen nur gequatscht wird. Überspannte Menschen, die keine wirklichen Probleme haben und quatschen. Ich verstehe nicht, was daran reizvoll sein soll, und versuch jetzt nicht schon wieder, mir Woody Allen zu erklären.«
    Ella schwieg. Sie hatte gar nicht vorgehabt, ihr Woody Allen zu erklären.
    »Mir sind Filme mit Action lieber«, schob Jasmin nach, und auf einmal tat sich etwas in ihrem Gesicht, die Gesichtshaut sackte ab.
    Jasmin strich sich über die Wangen, wie sie über ihre karierte Bluse und die karierte Tischdecke gestrichen hatte. Dann nahm sie ein Stück Brot aus dem Korb und zerpflückte es, trank einen Schluck Campari und noch einen, schaute aus dem Fenster und nestelte an ihrer Jeans herum.
    »Leo war nicht in Hamburg«, sagte sie plötzlich, aber ruhig.
    Endlich, dachte Ella.
    »Warum sagt er mir das nicht? Warum ist er nicht nach Hause gekommen?«, fragte Jasmin und presste die Lippen aufeinander. »Für eine andere Frau ist er doch viel zu müde.«
    »Das passt auch nicht zu ihm«, sagte Ella und dachte, vielleicht braucht er einfach mal ein Geheimnis.
    »Vielleicht war er doch in Hamburg«, sagte Jasmin dann, und die Haut über ihren Wangenknochen spannte sich wieder an.
    Für einen kurzen Moment hatte Ella gedacht, dass es diesmal anders ablaufen würde, aber wieso sollte es?
    Ella stand auf, entschuldigte sich und ging auf die Toilette. Die Rollenverteilung war immer noch die gleiche. Wenn jemand Probleme hatte, dann Ella; wenn jemand getröstet werden musste, dann Ella. Keiner sollte auf die Idee kommen, dass Jasmin selbst Trost brauchen könnte. Ella zog sich vor dem Spiegel die Lippen nach und kämmte sich mit den Fingern die Haare. Hoffentlich passierte ihr

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