Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer

34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer

Titel: 34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika Reich
Vom Netzwerk:
-frauen, die es im sechzehnten Jahrhundert gegeben haben soll. Man hat sie an Land gebracht und in Antwerpen und Amsterdam ausgestellt. Eine dieser Meerfrauen soll jahrelang als Nonne in einem Kloster gelebt haben. Sie konnte nicht sprechen, aber Wolle spinnen. Ich meine, stell dir das mal vor. Und dann hat er Tee für mich gekocht, scheußlichen Tee.«
    »Das ist doch alles nicht dein Ernst, oder?«, fragte Jasmin.
    »Ich könnte Tulpen in dem Aquarium im Wohnzimmer pflanzen.«
    »Was will er in deiner Wohnung?«
    »Sein Werk vollenden und sein Leben Revue passieren lassen.«
    »Ach, Gott«, sagte Jasmin, »na, wenn er meint.«
    Ella schwieg.
    »Und warum willst du deine Wohnung tauschen?«
    »Das ist doch aufregend. Ich mache das ja nur einen Monat oder so. Es ist mir einfach vor die Füße gefallen.«
    »Wenn ich alles machen würde, was mir vor die Füße fällt…«
    »Dann?«
    Sie schwiegen eine Weile.
    »Wann fängst du eigentlich beim Radio an?«
    »Am Montag, endlich. Ich kann es kaum erwarten.«
    »Aha.«
    Sie schwiegen wieder.
    »Und was ist mit Paul?«, fragte Jasmin und bestellte einen zweiten Campari.
    »Mit Paul? Warum, was soll mit ihm sein?«
    »Du vermischst schon wieder alles. Du machst mich wahnsinnig mit deinem ewigen Hin und Her.«
    Hin und Her? Was war denn jetzt gerade hin und her?
    »Wir haben uns gestern das erste Mal geküsst«, sagte Ella.
    »Küssen«, sagte ihre Schwester, »küssen«, und leerte das Glas.
    Der Kellner kam, Jasmin bestellte, der Kellner stockte und sagte dann: »Ihr Mann hat genau das Gleiche bestellt, gestern. Genau das Gleiche. Campari und dann die Leber mit Salbei.«
    »Mein Mann?«, fragte Jasmin. »Gestern?«
    Der Kellner stockte erneut und fuhr mit der Rückseite des Kugelschreibers seinen Hemdkragen entlang.
    »Er war gestern gar nicht in Berlin«, sagte Jasmin eher zu sich als zu ihm.
    Der Kellner knipste seinen Kugelschreiber an und aus und murmelte dann in Ellas Richtung: «Und du? Was kann ich dir bringen?«
    Ella bestellte ein Glas Weißwein, hielt ihren Blick auf die Karte gerichtet und zwang sich, zu ihrer Schwester hochzusehen. Jasmins Wangen waren weiß, das Lila ihrer Bluse setzte sich nun hart gegen ihre Blässe ab.
    »Er…« fing Ella an.
    »…war in Hamburg«, unterbrach Jasmin sie.
    Ella nickte.
    Die vier Eiswürfel im Campariglas waren aufeinandergestapelt und rötlich gefärbt. Ella legte den Kopf schief und duckte sich ein wenig. Das Zitronenviertel hing an der Glaswand fest, blassgelb.
    »Schau mal«, fing Ella erneut an, »die Zitrone hängt da wie eine Bergsteigerin auf einer Steilwand.«
    »Was soll das heißen?«, fragte ihre Schwester.
    Gar nichts. Das sollte gar nichts heißen.
    »Was soll das denn schon wieder heißen?«, wiederholte Jasmin ihre Frage.
    »Heute Morgen«, sagte Ella zögernd, »heute Morgen hing bei mir zu Hause eine Limone ganz genauso in den Seilen.«
    »In den Seilen…«, sagte Jasmin. Die Blässe ihrer Wangen war nun wieder einer rötlichen Gesichtsfarbe gewichen.
    »In den Seilen«, sagte Ella.
    »Ich hänge jetzt wohl auch ganz schön in den Seilen, oder?«, sagte Jasmin nun in einem veränderten Ton, nicht mehr gereizt, sondern erschöpft. »Wie früher. Ist es nicht so? Obwohl wir uns doch geschworen hatten, dass uns das nie wieder passiert, dass wir das anders machen werden, dass uns das nie wieder passieren würde.«
    »Es ist auch nicht passiert, nichts ist passiert, und du hängst auch nicht in den Seilen. Du hast einen Beruf, einen Mann, vier Kinder, jede Menge Haustiere, du bist eine wunderbare Mutter. Du machst also alles anders, besser als früher, viel besser.«
    »Das ist nicht schwer.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Ella, »ich weiß nicht, ob das so einfach ist.«
    Sie schwiegen.
    »Was hat Leo eigentlich in Hamburg gemacht?«, fragte Ella jetzt.
    »Nichts wahrscheinlich«, antwortete Jasmin, »wahrscheinlich nichts.«
    Da klingelte Ellas Telefon. Sie schaute ihre Schwester fragend an, Jasmin nickte, Ella ging dran.
    Paul.
    »Du bist nicht zu Hause«, sagte er.
    »Nein«, sagte sie, »warum?«
    »Weil ich vor deiner Haustür stehe und du nicht da bist.«
    »Was?«, fragte sie. »Ist es schon so spät? Was hatten wir denn ausgemacht?«
    »Wir hatten noch gar nichts ausgemacht«, sagte Paul. »Ich hab es nur nicht mehr ausgehalten.«
    Ella lächelte.
    »Wo bist du?«, fragte Paul.
    »Ich sitze hier mit meiner Schwester bei dem kleinen Italiener in der Auguststraße, aber ich hab dich nicht vergessen, ich

Weitere Kostenlose Bücher