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34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer

34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer

Titel: 34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika Reich
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Dann beugte er sich zu ihr hinüber und küsste sie auf den Hals.
    »Du bist ein Zündler.«
    »Erzähl mir noch was, Ella. Erzähl mir was von den Frauen, über die du schreiben willst.«
    Sie lehnte sich zurück und schaute ihn an. Er schien es wirklich ernst zu meinen: »Andere Frauen?«
    »Warum nicht? Die sind doch alle tot.«
    Sie überlegte kurz, eigentlich hatte sie wirklich keine Lust mehr zu sprechen und schon gar nichts Zusammenhängendes, aber dann schaute sie auf seine Lippen und fing an: »Weißt du, welche Worte sich Dorothy Parker für ihren Grabstein gewünscht hatte?«
    Er schüttelte amüsiert den Kopf: »Wer ist Dorothy Parker?«
    »Eine New Yorker Autorin und Kritikerin.«
    »Und was sollte aufs Grab?«
    »Wenn Sie das lesen können, sind Sie schon zu nah.«
    Er lachte und begann, sie mit den Nachspeisen zu füttern. »Wie gut, dass ich nicht so gut lesen kann.«
    Die Nacht mit Paul zog sich bis ins Morgengrauen, und es hatte nicht einen Moment gegeben, an dem sie aus ihr herausgefallen war, nicht einen dieser Vogelperspektivenblicke, in denen man plötzlich verrenkte Körperteile oder flache Brüste sah, nicht einen. Wenn sie gewusst hätte, dass solche Nächte möglich waren, hätte sie sich einiges ersparen können, aber sie hatte es nicht gewusst.
    Vielleicht waren sie zwischendurch auch mal eingeschlafen, aber die meiste Zeit waren sie nebeneinandergelegen und hatten die Nacht in den Tag übergehen lassen. Es gab Zeiten, da hatte sie gedacht, dass der frühe Morgen sie ängstigte, dass er ihr Fragen stellte, die sie nicht beantworten konnte, dass er etwas von ihr wollte, was sie nicht geben konnte, aber das Gegenteil war der Fall. Wenn sie halbwach in ihn hineinglitt, schimmerte der frühe Morgen mattgolden, fraglos und weltoffen.
    Und dieser erste Morgen mit Paul war von einem ganz besonderen Glanz überzogen, aber es gab noch den prekären Augenblick, der die erste gemeinsame Nacht beendete. Gingen sie zu früh auseinander, entstand dieser leicht bittere Nachgeschmack, trennten sie sich zu spät, würde die Suppe zu dünn.
    Aber dann ging alles ganz einfach, sie küssten sich ein letztes Mal, und schon war sie aus der Tür. Und der Kuss dauerte an, bis sie die Treppen hinabgestiegen war und lächelnd auf der Straße stand. Sie lächelte, als sie an der Ampel wartete, und in der U-Bahn lächelte sie noch immer.
    Alles war anders mit Paul, sie war anders mit Paul. Ihr Körper fühlte sich anders an mit Paul, er fühlte sich anders an und er sah anders aus – schöner, weicher, weiblicher. Pauls Hände hatten einen anderen Körper gestreichelt, einen, den sie mochte, der nicht so eckig war und ungelenk, und er hatte andere Fingerkuppen gesehen und eine andere Nase; immer wieder hatte er ihre Nase gestreichelt und gesagt, wie gewagt sie sei, wie wunderschön.
    Und so trug sie heute das erste Mal in ihrem Leben ihre Nase spazieren – ihre Nase voraus, sie hinterher. Sie bewegte sich anders, mit einer traumwandlerischen Sicherheit. Sie hatte gestern Nacht das erste Mal in ihrem Leben das Gefühl, dass es in Ordnung war, wenn sie zwischendurch in ihren Welten verschwand; dass Paul es sogar sexy fand, dass er ihr nicht nachkommen konnte, dass er genau das genoss. Und keine Schwester weit und breit, die ihr sagte, sie sei weltfremd, keine Mutter, die ihr Wegträumen romantisierte. Bei Paul konnte sie einfach ab- und auftauchen, als folgte ihr Zusammensein einem natürlichen Lauf, dem es nur zu folgen galt.
    Ella stieg am Naturkundemuseum aus der U-Bahn und lief mit ihrem neuen Körper und der neuen Nase zur Charité und meinte, jeder könne sehen, was für einer Nacht sie gerade entstiegen war. Und tatsächlich: der erste junge Mann, der ihren Weg kreuzte, lachte sie so unverblümt an, dass kein Zweifel bestand, wie sichtbar sie mit ihrer Nacht durch die Straßen spazierte. Sie lief durch die automatische Tür des Krankenhauses, den Gang entlang zur Anmeldung. Sie war jetzt genau in der richtigen Stimmung, um Natalia ein neues Leben zu erzählen.

5
    Natalia war auf eine andere Station verlegt worden, es schien ihr ein bisschen besser zu gehen. Sie lag nun in einem helleren, größeren Zimmer, in dem nicht mehr so viele Maschinen blinkten. Die beiden Betten neben ihr waren leer, auf den Nachttischen lagen Fernsehzeitschriften, Obstteller und Brillen, wie alte Damen sie trugen.
    Natalias Blick hellte sich auf, als Ella hereinkam, und auch Ella freute sich sehr, Natalia wiederzusehen. Natalia

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