34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
verletzen.
Durch eines dieser Tiere knüpfte sich eine Art schweigender Bekanntschaft zwischen mir und dem vorhin erwähnten Passagier an. Er hatte sich nicht an der Jagd beteiligt, doch wenn auf Krokodile geschossen wurde, so stand er auf, um den Erfolg zu beobachten. Er kehrte dann immer mit einem verächtlichen Kopfschütteln an seinen Platz zurück.
Wir näherten uns einer niedrigen Stelle des Ufers, auf welcher zahlreiche Jacarés lagen. Das schien endlich seine Jagdlust zu erwecken. Ich stand zufällig ganz in seiner Nähe und hörte, daß er von dem Neger sein Gewehr verlangte. Vielleicht hatte er die Absicht, zu beweisen, daß es ihm ein leichtes sei, einen Alligator zu erlegen. Er trat mit dem Gewehr an die Brüstung des Deckes und gab auf eines der Tiere die zwei Schüsse ab. Die erste Kugel ging fehl; man sah, daß sie sich in den Sand wühlte; die zweite Kugel traf die Bestie gerade auf den Rücken. Das Tier hob den Kopf ein wenig empor, ließ ihn wieder sinken und – blieb ruhig liegen, als ob nur eine Erbse auf seinen Körper gefallen sei.
War die Miene des Schützen erst ziemlich siegesgewiß gewesen, so legte sie sich jetzt in den Ausdruck zorniger Enttäuschung. Er warf mir einen kurzen Blick zu, als ob er sich schäme, und gab dem Diener das Gewehr zurück.
„Soll ich laden?“ fragte der Schwarze.
„Nein. Die Alligatoren sind unverwundbar“, antwortete er, indem er sich wieder niedersetzte.
„In dieser Stellung, wenn sie auf dem Bauche liegen, kann man sie freilich wohl kaum erlegen“, sagte der Frater, welcher die Worte auch gehört hatte, zu mir.
„Warum nicht?“ fragte ich.
„Wo sollte man die Kugel anbringen?“
„Im Auge.“
„Unmöglich! Ich schieße doch auch gut.“
„Man braucht nicht genau das Auge zu treffen. Es gibt über den Augen eine Stelle, an welcher der Knochen nur dünn ist, so daß eine Kugel durchdringt.“
„Und diese Stelle glauben Sie zu treffen?“
„Gewiß. Ich hoffe sogar, die Kugel genau ins Auge zu bringen.“
„Das möchte ich sehen! Bitte, wollen Sie?“
„Wenn Sie wünschen, gern, lieber Bruder. Bestimmen Sie mir das Tier, auf welches ich schießen soll!“
Bei diesen Worten nahm ich meine Büchse zur Hand, auf welche ich mich verlassen konnte. Ich hatte mit derselben schon andere Schüsse tun müssen, als so einen Bestienschuß, Schüsse, bei denen es sich um das Leben handelte. Die erwähnte Stelle lag bereits hinter uns. Wir mußten warten, bis wir wieder einen Jacaré sahen. Der Passagier betrachtete mich mit neugierigem Blick; ich zeigte das gleichgültigste Gesicht. Nach einiger Zeit sahen wir zwei der Tiere am flachen Ufer liegen. Sie waren vielleicht zwanzig Schritte voneinander entfernt, beide aber kaum halb so weit vom Wasser.
„Nun jetzt?“ fragte der Bruder.
„Ja“, antwortete ich. „Passen Sie genau auf!“
Ich trat an den Bord und nahm das Gewehr halb auf. Der Fremde folgte mir, mit dem Ausdruck großer Spannung im Gesicht, was eigentlich gar nicht begründet war, denn ein Krokodil zu schießen ist für einen Westmann kein Meisterstück.
Die beiden Tiere lagen halb im Profil zu dem Schiff, die beste Stellung für einen sichern Schuß. Es gab noch einige andere, welche auch auf sie schießen wollten; aber der entfernt stehende Yerbatero sah, daß ich das Gewehr in der Hand hatte, und rief ihnen zu:
„Schießen Sie nicht, Señores! Dort steht einer, der Ihnen zeigen wird, wie man treffen muß.“
Aller Blicke richteten sich auf mich, was mir gar nicht lieb war, denn wenn die beiden Patronen, die ich geladen hatte, nicht ganz fehlerfrei gearbeitet waren, so schoß ich fehl und war blamiert.
Jetzt war das Schiff so weit heran, daß der gegenwärtige Augenblick der geeignetste war. Ich warf nach Westmannsart das Gewehr an die Wange und drückte zweimal ab, scheinbar ohne genau gezielt zu haben, aber eben nur scheinbar. Der Präriejäger drückt noch, bevor er das Gewehr aufnimmt, das linke Auge zu, um das Ziel zu visieren. Durch lange Übung hat er die Geschicklichkeit erlangt, den Lauf sofort in die Sehachse zu bringen, ohne lange probieren zu müssen. In demselben Augenblick, in welchem das Gewehr seine Wange berührt, liegt auch schon das Korn in der Kimme, und der Schuß kann abgegeben werden. Die ganze Kunst liegt eben nur darin, den Lauf sofort in die Sehachse zu werfen. Das erspart das lange Suchen und Visieren, durch welches der linke Arm ermüdet und wohl gar ins Zittern kommt. Der angehende Westmann
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