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34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata

34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata

Titel: 34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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steht stundenlang, um sich mit dem ungeladenen Gewehr einzuüben. Er wirft, indem er das linke Auge geschlossen und das rechte scharf auf das Ziel gerichtet hält, das Gewehr mit schnellem Ruck auf und nieder, bis er die Fertigkeit erlangt, den Lauf sofort auf das Ziel und das Korn in die Kimme zu bringen. Viele bringen es nie zu dieser Gewandtheit und sind dann schlechte Jäger, da oft das Leben davon abhängt, der erste am Schuß zu sein.
    Für andere freilich erscheint es unbegreiflich, daß jemand, ohne langsam anzulegen und scheinbar ohne sorgfältig zu zielen, das Gewehr geradezu emporwirft, augenblicklich abdrückt und – einen Nagel durch das Schwarze treibt. Die Schnelligkeit, mit welcher das geschieht, ist verblüffend, aber eben weiter nichts als das erklärliche Resultat einer langen und unermüdeten Übung.
    So war es auch jetzt. Das Gewehr aufnehmen, zweimal abdrücken und es wieder sinken lassen, das war in einer Sekunde geschehen. Der erste Kaiman fuhr empor, tat mit dem Schwanz einen Schlag und sank dann wieder nieder. Der zweite schoß vier oder fünf Schritte vorwärts, blieb dann halten, richtete den Kopf auf, sank auf die Seite, dann auf den Rücken und blieb so bewegungslos liegen. Beide waren tot. Lauter Beifall erscholl.
    „Zwei außerordentliche und meisterhafte Schüsse!“ rief der Fremde. „Oder waren sie Zufall?“
    „Nein, Señor. Sie waren kinderleicht“, antwortete ich.
    Er warf mir unter den hoch emporgezogenen Brauen hervor einen erstaunten Blick zu, zog den Hut, machte mir eine tiefe, höfliche Verbeugung und kehrte auf seinen Sitz zurück. Von da an bemerkte ich, daß er mir und allem, was ich tat, eine nicht ganz zu verbergende Aufmerksamkeit schenkte. Ich gab dem Yerbatero den Auftrag, sich unter der Hand zu erkundigen, wer er sei. Dieser gab sich alle mögliche Mühe und brachte mir endlich den Bescheid, daß niemand außer dem Kapitän ihn kenne; dieser aber habe seinen Namen nicht nennen wollen und nur angedeutet, daß der Señor ein Ofícialo nombrado (berühmter Offizier) sei, der ihm Schweigen anbefohlen habe. Natürlich war diese Auskunft nur geeignet, meine Neugierde zu vergrößern.
    So waren wir also bis in die Nähe des Rio Guayuqueara gekommen. Das Wetter hatte uns bisher begünstigt, jetzt aber schien es dessen müde zu sein. Der südliche Horizont nahm eine schmutzig gelbe Färbung an, und die hohen Halme des Schilfes, die Zweige der Büsche begannen sich zu bewegen. Der Kapitän wendete den Blick wiederholt nach Mittag. Sein Gesicht verfinsterte sich. Dann kam Frick Turnerstick zu mir und sagte:
    „Sir, der Capt'n glaubt, daß ein Pampero im Anzug sei. Er macht dabei ein Gesicht wie ein Taifun. Ist denn so ein Pampalüftchen so gefährlich? Wir befinden uns doch nicht auf hoher See!“
    „Eben darum ist Grund zur Sorge vorhanden. Auf hoher See ist, wenn weder Land noch Riffe in der Nähe sind, ein Sturm nicht sehr zu fürchten. Hier aber kann er uns ans Ufer oder auf eine der Inseln werfen.“
    „So mag der Capt'n doch vor Anker gehen und warten, bis die Brise wieder eingeschlafen ist!“
    „Das ist leicht gesagt, Sir. Zum Ankern gehört ein geeigneter Platz, und selbst wenn dieser gefunden ist, reitet das Schiff vor dem Sturm leicht so lange auf der Kette, bis es sich losreißt und zu Land geht.“
    „Das kann ich mir nicht denken.“
    „Weil Ihr noch keinen Pampero erlebt habt.“
    „Na, er mag kommen, dieser Master Pampero. Man wird ja sehen, ob er Zähne hat.“
    „Wollen nicht hoffen, daß wir zwischen sie geraten!“
    So wenig Zeit dieses kurze Gespräch in Anspruch genommen, hatte sich doch der Himmel während desselben stark verändert. Es war, als ob es schnell Nacht werden wolle, und ein starker aber unhörbarer Luftstrom bog die Pflanzen tief zum Boden nieder.
    Ich ging nach dem Vorderdeck, um nach meinem Pferd zu sehen und es fester anzubinden. Eben rief der Kapitän mit lauter Stimme:
    „Der Pampero kommt. Er wird nicht ein trockener, sondern ein nasser sein. Eilen Sie unter das Deck, Señores!“
    Die Schiffsbediensteten rannten hin und her, um alles gehörige zu befestigen. Ich zog mein Pferd zwischen den Kisten und Ballen, durch deren etwaigen Zusammensturz es scheugemacht werden konnte, hervor und führte es, ohne zu fragen, ob dies erlaubt sei, nach der Mitte des Schiffes unter die dort ausgespannte Sonnenleinwand, wo ich es an einen im Boden angebrachten eisernen Ring band.
    Als ich unter diesem Zeltdach hervortrat, war der Himmel

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