34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
auch eine Riesenkraft nicht hätte widerstehen können. Selbst diejenigen, welche sich bis jetzt gehalten hatten, wurden niedergeworfen oder vielmehr niedergeschmettert. Wem die Glieder den Dienst nicht versagten, der raffte sich wieder auf. Und siehe da, es ging, denn das Schiff stampfte nicht mehr; es schien festen Halt gefunden zu haben und schlingerte nur hinten hin und her.
Aber die Freude, welche jemand darüber hätte empfinden können, wäre nur eine kurze gewesen, denn wir bemerkten, daß der Fußboden nicht mehr waagerecht blieb. Er hob sich vorn empor, und während einer Pause, welche der Sturm machte, hörte ich deutlich jenes eigenartige Geräusch, welches entsteht, wenn die Räder eines Dampfschiffes in die Luft anstatt in das Wasser greifen.
Ich hatte mich wieder emporgerichtet und hielt mich am Messergriff fest. Turnerstick kam auf mich zu und brüllte mich an:
„An das Ufer gerannt!“
„Nein, sondern auf ein Fahrzeug oder Floß gerannt!“ antwortete ich ihm, auch brüllend, damit er mich verstehen könne.
„Well! Könnt recht haben. Also schnell hinauf!“
Von dem Stoß, welchen wir erhalten hatten, war glücklicherweise keine der Lampen herabgeschleudert worden. Sie erleuchteten eine im Vergleich mit vorher friedlichere Szene. Da das Schiff nicht mehr stampfte, konnte man sich trotz der schiefen Lage des Bodens leichter auf den Füßen halten, und die wenigsten ahnten, welch furchtbare neue Gefahr die Krallen nach uns ausstreckte.
Turnerstick eilte fort; der Steuermann arbeitete sich durch das Gedränge nach der Treppe. Ich wollte folgen und zog mit Anstrengung aller Kräfte mein Messer aus der Wand. Ich konnte in die Lage kommen, es zu gebrauchen. Dabei fiel mein Auge auf den Indianer und seine Mutter. Ich hob die letztere auf und trug sie nach der Treppe, indem ich ihm einen Wink gab, mir zu folgen.
Droben angekommen, hatten wir einen Anblick, welcher einem die Haare zu Berge treiben konnte. Der Regen hatte wie mit einem Schlag aufgehört. Vor und über uns sah der Himmel noch schwarz aus; im Süden aber färbte er sich bereits heller. Infolgedessen begann die Finsternis zu weichen, und wir konnten sehen, wie es mit uns stand.
Das Schiff war auf ein gewaltiges Floß gefahren und hatte sich, vorn mehr und mehr sich hebend, in den Vorderteil desselben hineingearbeitet. Es stak zwischen mächtigen Baumstämmen. Die Räder hingen über Wasser, bewegten sich aber nicht mehr, da die Maschine gestoppt worden war. Dagegen wurde das Hinterteil so tief niedergedrückt, daß nur noch das Steuerrad aus dem Wasser hervorragte, das Rad mit den vier Männern, welche nicht von ihrem Posten wichen, obgleich die Wogen ihnen bis über die Schultern schäumten. Diese mutigen Leute boten ein Bild treuester Pflichterfüllung.
Man konnte nicht sehen, ob wir uns zwischen zwei Inseln oder zwischen einer und dem Ufer befanden. Zu beiden Seiten gab es flaches Land, welches links von uns nur mit dichtem Schilf bewachsen war, während rechts ein nackter Sandboden langsam anstieg, den ein Buschwerk begrenzte, über welches weiter oben die Wipfel von Bäumen hervorragten.
Der Sturm blies der Richtung des Flusses gerade entgegen. Seine Gewalt staute das Wasser und wühlte tiefe Wellentäler in dasselbe, aus welchen hohe Wasserkämme aufstiegen und sich überstürzten, zu Schaum geschlagen und in Gischt zerstäubt. Der Wasserlauf, in welchem wir uns befanden, war nicht breit. Bei hellem, ruhigem Wetter konnten zwei Fahrzeuge einander ausweichen; auch ein Floß hätte an einem Dampfer vorüber gekonnt; aber bei diesem Sturm und der Finsternis, welche wir gehabt hatten, war das Unglück fast gar nicht zu vermeiden gewesen.
Die Flößer hatten zwar die Glocke läuten gehört, aber erst dann, als es zu spät gewesen war. Der Dampfer war, von dem Sturm getrieben, auf das Floß gefahren und mit dem Vorderteil auf dasselbe gehoben worden.
Glücklicherweise hatte sich beim Zusammenprall der Himmel so weit gelichtet, daß die Flößer ihre Lage überschauen konnten. Sie hatten sich geteilt gehabt. Die eine Hälfte arbeitete vorn, die andere hinten an den langen Rudern. Die ersteren hatten kaum Zeit, schnell zurückzuspringen, so schmetterte der Dampfer auch bereits auf das erste Feld des Floßes und schob sich auf dasselbe empor. Sie rannten nach den auf dem hinteren Feld arbeitenden Ruderern zurück und halfen dieses Feld an das Ufer drängen, und zwar auf das zu unserer linken Hand liegende, welches ihnen am nächsten
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