34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
vier Steurer hatten sich endlich nach vorn begeben müssen, denn das Rad wurde von den Wogen vollständig überspült. Auch vorn begann es, zu sinken. Die Flößer hatten sich mit ihren Äxten auf das zweite Feld gewagt, um das erste, auf welchem das Schiff saß, loszutrennen. Die Lianen wurden durchhauen, und das Wasser riß einen Stamm nach dem andern mit fort, wobei es nicht zu vermeiden war, daß die mächtigen Baumriesen scharf gegen den Schiffskörper stießen.
Jetzt konnten die Räder wieder Wasser fassen. Das Schiff ging mit Rückdampf ein wenig abwärts und kam dann wieder vor, um sich am flachen Ufer festzusetzen. Es war die allerhöchste Zeit, denn es hatte sich herausgestellt, daß ein Loch in den Bug gestoßen war. Das Wasser drang durch dasselbe ein und begann den unteren Raum zu füllen. Das Hinterdeck war wieder emporgekommen und wurde, als die beiden Anker ausgeworfen worden waren, ebenso wie das Vorderteil durch die vorhandenen starken Staken gesteift, so daß sich das Fahrzeug nicht auf die Seite legen konnte. Dann wurde das Boot aus dem Wasser gezogen und ausgeschöpft, um die Passagiere dann, wenn die Wogen nicht mehr so hoch gingen, an das Land zu bringen.
Hätten wir gewußt, daß die Gefahr auf diese Weise bewältigt wurde, so wären wir an Bord geblieben und nicht so arg durchnäßt worden.
Von einer Weiterfahrt war keine Rede. Das Schiff konnte mit dem Leck nicht fort und mußte bis zur Ausbesserung desselben an Ort und Stelle bleiben. Das Wasser stieg schnell bis in den Maschinenraum und löschte das Feuer aus.
Das alles war freilich nicht so schnell gegangen, wie man es zu erzählen vermag. Seit dem Zusammenstoß hatte es fast zwei Stunden bedurft, um den Dampfer in Sicherheit zu bringen. Bis dahin hatte die Wut des Sturmes leidlich abgenommen, und die Passagiere wurden nach und nach an das Land gebracht.
Dann ließ sich der Kapitän nach dem Floß rudern, um den Flößern eine Strafpredigt zu halten, welche sie aber nicht verdient hatten. Er verlangte Schadenersatz, sie aber auch, da die Lösung des Dampfers ihnen ein ganzes Feld des Floßes gekostet hatte. Er warf ihnen vor, daß sie nicht auf seine Warnungsglocke geachtet hätten. Sie aber bewiesen ihm, daß er sich von dem Sturm in einen Arm des Flusses hatte treiben lassen, welcher ausschließlich von Flößen befahren werden sollte. Er mußte das schließlich zugeben und die Leute an die Kompagnie verweisen, welche die Besitzerin seines Dampfers war.
Was sollten wir nun tun?
In dem scharfen Wind trockneten unsere Anzüge außerordentlich schnell. Unterhalb des Gürtels hatte das Wasser bei mir aber nicht eindringen können; doch gehörte eine feste Gesundheit dazu, ohne Erkältung davonzukommen.
Sonderbarerweise hatte das Wasserbad auf die erkrankte Indianerin sehr günstig gewirkt. Ihr hemdartiges Gewand war sehr schnell trocken, und sie behauptete, sich wieder ganz wohl zu fühlen.
Der Kapitän sagte uns, daß wir erst übermorgen einen aufwärtsgehenden Dampfer zu erwarten hätten, mit welchem wir die Fahrt fortsetzen könnten. Er riet uns, mit Hilfe des Buschwerkes und Schilfes Hütten zu bauen und war dazu bereit, alle auf dem Schiff vorhandenen Bequemlichkeiten an das Land schaffen zu lassen. Auch glaubte er, daß der Proviant bis dahin reichen werde. Wir stimmten ein, da es voraussichtlich keine andere und bessere Unterkunft für uns gab.
Indessen kam der Indianer, welcher mir für die Hilfe, die ich seiner Mutter geleistet hatte, eine große Dankbarkeit widmete, zu mir und sagte:
„Señor, wenn Sie nicht hier bleiben wollen, wo Sie es vor den Mosquitos nicht aushalten können, wenn der Sturm sich gelegt haben wird, so könnte ich Sie an einen bessern Ort bringen.“
„Wo ist das?“
„Es gibt in der Nähe einen Rancho, auf welchem ich gedient habe. Der Besitzer ist auch ein Indianer und ein entfernter Verwandter von mir. Er heißt Señor Antonio Gomarra und würde Sie mit Freuden bei sich aufnehmen.“
„Wie weit ist es von hier?“
„Zu gehen hat man drei Stunden, während man zu Pferd den Weg in nicht viel mehr als einer Stunde machen kann.“
„Ich werde Ihr Anerbieten wohl nicht annehmen können, da ich mich nicht von meinen Gefährten trennen kann.“
„Die können ja mit!“
„Es sind aber neun Mann außer mir!“
„Das sind nicht zu viel, nur möchte ich dem Ranchero nicht zumuten, sämtliche Passagiere bei sich aufzunehmen. Darum werde ich Ihnen die Bitte ans Herz legen, zu verschweigen,
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